Richter-Gnadenlos-Spielen als Volkssport: Bewertungsportale im Internet boomen - doch die Beurteilungen können rechtliche Konsequenzen für die Verfasser haben.
Hotels, Restaurants, Ärzte oder Lehrer: Sie alle müssen sich seit einiger Zeit daran gewöhnen, unter genauer Beobachtung zu stehen. Das Bewerten von Dienstleistungen im Internet ist zum Volkssport geworden. Mancher begrüßt das als Schritt zu mehr Transparenz. Aber die Meinungsäußerungen in Internetforen und auf Bewertungsportalen bergen auch enormes Konfliktpotenzial. So beschäftigt der Rechtsstreit um eine Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen, die die Benotung durch Schüler auf dem Portal "spickmich.de" nicht dulden wollte, derzeit den Bundesgerichtshof.
Anwälte berichten längst von Fällen, in denen Kunden - sei es auf auf Verkaufsplattformen im Internet oder im Lokal um die Ecke - mit schlechten Bewertungen drohen, falls ihre Wünsche nicht erfüllt werden. "Gerade bei Ebay ist es so, dass die Bewertungen für die Verkäufer bares Geld sind", sagt Rechtsanwalt Thomas Lapp aus Frankfurt, Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Informationsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) in Berlin.
Im Extremfall droht eine Schadensersatzklage
Auch wenn sie Bewertungen im Netz nicht generell ablehnen, sehen Experten wie Florian Glatzner vom Bielefelder Datenschutz- und Bürgerrechtsverein FoeBuD manche Aspekte mit großer Sorge. "Gerade dort, wo es um Menschen geht, sehe ich das sehr kritisch", betont der Sprecher der Initiative. Einschätzungen in sozialen Netzwerken seien eine Gratwanderung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz.
Aber nicht nur im Interesse anderer sollten sich mitteilsame Internetnutzer stets gut überlegen, was sie über wen in welcher Form verbreiten. Wenn sich Betroffene wehren, können sie sich Ärger einhandeln - bis hin zu einer Anzeige. Prozesse gegen die Urheber von ruf- oder geschäftsschädigenden Äußerungen seien zwar selten, sagt Anwalt Niko Härting aus Berlin, Mitglied im DAV-Informationsrechtsausschuss. Das liege aber vor allem daran, dass sich Betroffene meist direkt an die leichter greifbaren Foren- oder Bewertungsportalbetreiber wenden und fordern, die entsprechenden Einträge zu löschen. Zu den Verfassern stießen sie meist gar nicht vor. Letztlich seien diese aber rechtlich für ihre Einträge verantwortlich und im Extremfall drohe ihnen eine Schadensersatzklage.
Manche Verfasser umstrittener Bewertungen haben sich laut Härting bereits vor Gericht wiedergefunden. So verhandelte das Amtsgericht in Wolgast im vergangenen Jahr die Unterlassungsklage des Betreibers eines örtlichen Vier-Sterne-Hotels gegen einen Gast. Dieser hatte das Haus auf einem Bewertungsportal als "maximal 3-Sterne-Hotel" bezeichnet und von "überwiegend getünchter Nostalgie, gepaart mit unternehmerischer Arroganz" geschrieben. Das Gericht wies die Klage allerdings ab, weil es darin keine unzulässige "Schmähkritik" sah.
Grundsätzlich sollten Internetnutzer bei Bewertungen einige rechtliche Unterscheidungen und Grenzen kennen und beherzigen. So unterscheidet das Gesetz zunächst zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. Für erstere gelten weit schärfere Regeln. Als Tatsachenbehauptung gilt laut Härting alles, was sich objektiv beweisen lässt. Wer derart konkrete Aussagen trifft, sollte genau darauf achten, dass sie stimmen.
Behauptet ein Gast, dass sein Abendessen kalt oder sein Hotelzimmer schmutzig war, dann sollte das der Wahrheit entsprechen. Der Wahrhaftigkeitsanspruch gilt allerdings auch für positive Statements: Kunden sollten nicht fälschlicherweise etwas Positives behaupten, auf das sich dann womöglich andere verließen, so Rechtsanwalt Lapp. Denn auch in solchen Fällen sei der Urheber zumindest theoretisch haftbar für Schäden, die anderen entstehen.
Juristisch komplizierter zu fassen sind Meinungsäußerungen. "Dabei hat man einen weiteren Spielraum", so Lapp. Allerdings gebe es auch hier durchaus Grenzen - etwa wenn es sich um einen Fall von unsachlicher oder beleidigender "Schmähkritik" handelt, die Menschen oder deren Unternehmen in unangemessener Weise herabsetzt. Statt ein Urlaubshotel pauschal als einen "heruntergekommenen Saftladen" zu verunglimpfen, sollten unzufriedene Gäste bei einer öffentlichen Bewertung in einem Forum lieber unverfänglich schreiben "Wir waren nicht begeistert" oder "Wir werden dort nicht wieder hingehen".
Solche Angaben reichen in der Regel völlig aus, um die Intentionen des Schreibers klar zu machen. Sie sind aber als gängige Meinungsäußerungen nicht angreifbar und dürften kaum einen teuren Rechtsstreit nach sich ziehen. Ohnehin raten Internetexperten verärgerten Kunden zu einem Moment des Nachdenkens. Es sei meist besser, zunächst eine Nacht darüber zu schlafen und seine Kritik dann mit Abstand in sachliche Worte zu fassen, rät Lapp.
Sebastian Bronst
sueddeutsche.de, München, 02. September 2009
Original: http://www.sueddeutsche.de/computer/769/486188/text/