Nach dem Streit um Street View versucht Google gut Wetter zu machen und lud zum Dialog nach Berlin. Politiker, Datenschützer und Journalisten diskutierten darüber, wie Privatsphäre im Netz aussehen soll. Und so mancher nutzte den Tag, um dem Internetgiganten, aber auch der Politik den Kopf zu waschen.
Inhaltlich hielt sich der Konzern dafür eher zurück und ließ zunächst andere zu Wort kommen: Cory Doctorow, US-Blogger, Science-Fiction-Autor (und auf "re:publica" gefeierter Redner), wusch allen Internetfirmen, deren wertvollstes Kapital das von ihnen angesammelte Wissen über ihre Nutzer ist, den Kopf: "Der Handel, die Nutzer geben etwas von ihrer Privatsphäre auf und erhalten dafür eine Leistung kostenlos, funktioniert nicht."
Menschen könnten schlecht einschätzen, was Unternehmen möglicherweise zukünftig mit ihren Daten anfingen. "Dadurch dass Sie mir gerade zuhören, stimmen Sie automatisch meinem Geschäftsbedingungen zu. Diese habe ich winziger Schrift auf einen kleinen Zettel gedruckt und unter Ihrem Stuhl versteckt", verdeutliche Doctorow.
Auftritt Peter Schaar. "Der Bundesdatenschutzbeauftragte zu Gast bei Google: Geht das denn überhaupt zusammen?", stellte Schaar selbst die Frage und beantwortete sie auch gleich selbst: "Dass diese Veranstaltung stattfindet, ist ein Zeichen." Direkte Kritik an Google äußerte Schaar diesmal nicht, anders als an "dem anderen Unternehmen": Was bei Facebook laufe, habe "mit unseren datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht mehr allzu viel zu tun", so Schaar.
"Diese Veranstaltung ist ein direkter Schlag von Google gegen Facebook", meint deshalb Albrecht Ude, Journalist vom Netzwerk Recherche. "Google präsentiert sich als derjenige, die sich Gedanken über Datenschutz macht."
"Wir haben natürlich gelernt, wir müssen mehr erklären", sagt Kay Oberbeck, Google Kommunikationschef für Deutschland, mit Blick auf die zurückliegende Kontroverse um den Dienst Street View. So führten Google-Mitarbeiter in Berlin das "Dashboard" vor, eine Überblicksseite, auf der registrierte Nutzer die Privatsphäre-Einstellungen der verschiedenen Google-Dienste justieren können.
Und der "Daten Dialog" reiht sich in eine Reihe anderer Initiativen ein: Die von Google finanzierte Forschergruppe "Collaboratory" veröffentlichte gerade eine Studie, die "Gleichgewicht und Spannung zwischen digitaler Privatheit und Öffentlichkeit" beleuchtete. Das zusammen mit Berliner Hochschulen ins Leben gerufene Institut für Internet und Gesellschaft nahm kürzlich seine Arbeit auf. Zudem hat Google die Position eines "Privacy Policy Managers" ausgeschrieben, der für die Abstimmung mit den deutschen und europäischen Behörden und Regierungen sorgen soll.
Im Namen der Bundesregierung sprach sich Innen-Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe beim "Daten-Dialog" erneut für Selbstverpflichtungen in Sachen Datenschutz aus: "Wir dürfen die Gesetzgebungsschraube nicht immer weiter drehen." Datenschützer Schaar platzte daraufhin der Kragen. "Ich habe den Eindruck, im Bundesinnenministerium herrscht die Vorstellung, wer nichts macht, macht auch keine Fehler." Vehement forderte er, der Gesetzgeber müsse zugunsten der Nutzer besser aktiv werden: "In der Zwischenzeit schaffen Firmen schaffen Realität, die es für den Gesetzgeber noch schwerer machen. Der Markt richtet es nicht."
Von einer "Bankrotterklärung" der Regierung sprach auch Rena Tangens vom Datenschutz-Verein FoeBuD e. V. "Eine grundsätzliche Modernisierung des Datenschutzrechtes ist unerlässlich", sagte Florian Glatzner vom Bundesverband der Verbraucherzentrale. Darüber waren sich viele Konferenzteilnehmer einig. Über die Ausgestaltung gingen allerdings die Meinungen auseinander: Einige Stimmen warnten vor wirtschaftlichem Schaden durch eine zu starke Reglementierung. Andere verwiesen darauf, dass ein strenger Schutz der Privatsphäre für Software und Online-Dienste auch als Qualitätsmerkmal im Wettbewerb dienen könne.
Blogger Doctorow verwies auf die in Web-Browsern integrierte Option zum Blockieren von lästiger Werbung über dem Text, die zum Niedergang dieser Werbeform geführt habe: "So eine einfache Möglichkeit müsste es auch gegen die Daten geben, die Webseiten-Betreiber über uns speichern."
Wie sich Gastgeber Google künftig genau positioniert, wo die Firma in ihren Diensten Datenschutz fördert möchte und wo sie aus Eigeninteresse möglichst viele Daten über seine Nutzer sammelt, welche staatlichen Regelungen sie für sinnvoll hielte und welche sie ablehnen würde, kam nicht zur Sprache. Google hatte zum Dialog geladen - aber nicht, um sich in die Karten blicken zu lassen.
Fiete Stegers
tagesschau.de, Hamburg, 24. November 2011
Original: http://tagesschau.de/inland/google402.html