Während des EM-Halbfinalspiels Deutschland-Italien war es beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit und von nur wenigen Bundestagsabgeordneten verabschiedet worden: das neue Meldegesetz. In Paragraf 44 der Reform versteckte sich jedoch ein ziemlicher Aufreger. Denn künftig sollten Meldeämter zahlreiche Daten von Bürgern zu Werbezwecken an Privatfirmen verkaufen dürfen - und zwar ohne dass die Betroffenen dazu ausdrücklich ihre Einwilligung geben müssen.
Nun ist die Reform wieder kassiert worden. Der Bundesrat verwies den Gesetzentwurf in den Vermittlungsausschuss. Die Länderkammer forderte, die Daten dürften erst dann herausgegeben werden, wenn die Bürger ihr Einverständnis erklären.
Zur Debatte steht nun noch die Frage, wer die Einwilligung der Bürger einholen muss: das Meldeamt oder das Unternehmen, das Namen und Anschrift nutzen will. Datenschützer wollen, dass dies allein in den Zuständigkeitsbereich der Behörden fällt. Unternehmen versteckten diese Erklärungen oft im Kleingedruckten, das sei für die Bürger nicht durchschaubar, betonte Rena Tangens vom Datenschutzverein FoeBuD. Außerdem wären die Meldeämter überfordert, wenn sie die Einwilligungserklärungen von Firmen noch einmal überprüfen müssten. Ähnlich äußerte sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. "Es darf nicht passieren, dass Firmen eine Einwilligung in die Abfrage der Meldedaten im Wust der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstecken oder mit der Zustimmung zu Internet-Nutzungsbedingungen koppeln", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Im Gespräch ist ein Bußgeld für jene, die Daten bei den Meldeämtern abfragen, ohne die Bürger um ihr Einverständnis gebeten zu haben. Außerdem ist eine strenge Zweckbindung geplant: Die Daten, die jemand beim Meldeamt anfordert, dürfen nach dem Willen des Bundesrates immer nur zu einem bestimmten Zweck benutzt und müssten danach gelöscht werden.
Das Gesetz sah ursprünglich vor, dass Privatfirmen bei den Einwohnermeldeämtern nicht nur Daten wie Name oder Adresse erfragen dürfen, sondern auch Umzüge oder Todesfälle. Zwar sollten Bürger dagegen Widerspruch einlegen können. Dieser hätte aber nicht gegolten, wenn die Firma bereits Daten des Bürgers hat.
De facto bedeutete dies: Wer seine Daten einmal einer Werbefirma oder einem Adresshändler zur Verfügung gestellt hat - etwa bei einem Preisausschreiben oder einer Katalogbestellung - kann dann nicht mehr verhindern, dass diese bis zu seinem Tod aktualisiert und eventuell auch weiterverkauft werden.
Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16. November 2011 war noch vorgesehen, dass man der Weitergabe der Daten zu Werbe- oder Adresshandelszwecken ausdrücklich zustimmen muss. In der vom Bundestag angenommenen Beschlussempfehlung des Innenausschusses wurde aus dieser Zustimmungslösung aber die kritisierte Widerspruchslösung, die nun wiederum zurückgenommen wird.
tagesschau.de, Hamburg, 21. September 2012
Original: http://www.tagesschau.de/inland/meldewesen132.html