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Klasse: Klausichere Klausuren!

Zum ersten Mal schreiben alle SchülerInnen in NRW die gleichen Abi-Klausuren. Schulleiter müssen die verschlüsselten Tests herunterladen. Gegen Hacker glaubt sich das Land abgesichert

Keine Dokumente in Nordrhein-Westfalen werden zurzeit so gut bewacht wie die Aufgaben fürs Zentralabitur. Beim gestern angelaufenen Prüfungsmarathon besteht höchste Sicherheitsstufe. Und auch heute haben die SchulleiterInnen genau 90 Minuten Zeit, um die Fragen für die morgige Englischklausur aus dem Internet herunterzuladen - genau von 13.30 bis 15 Uhr. Dabei werden sie beim Download von einer Person bewacht. "Möglichst von einem Lehrer oder einer Lehrerin, der oder die nicht mit dem Abiturjahrgang betraut ist", sagt Gabriele Zwik, Sprecherin der NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU).

Das Zentralabitur hat in Nordrhein-Westfalen Premiere. Unterbrochen von den Osterferien müssen die 626 Gymnasien und fast zweihundert Gesamtschulen bis Ende April täglich zeitgleich Stoff für den nächsten Tag herunterladen. Dabei müssen sie dafür sorgen, dass keine der 700 Aufgaben den rund 64.000 AbiturientInnen in die Hände fallen. Wenn nur ein Schüler die Prüfungsaufgaben vorher kennt und verbreitet, muss im gesamten Land die Prüfung wiederholt werden. Eine solche Panne hält das Schulministerium für sehr unwahrscheinlich: "Die Chance, vorher an die Aufgaben zu kommen, ist so gering, wie es früher möglich war, die Umschläge mit den Klausuren aus der Post zu fischen", so Sprecherin Zwik.

Denn nach dem Herunterladen der Daten wird die Verbindung zum Rechner sofort getrennt. Schulleiter und der assistierende Lehrer müssen die verschlüsselten Daten an einem weiteren Computer entkodifizieren und ausdrucken. Eingetütet und versiegelt landen sie im Schulsafe. "Wenn es Sicherheitsrisiken gibt, dann sind es die Lehrer oder die Rektoren", sagt Padeluun vom Bielefelder Datenschutzverein FoeBuD.

Bei der Einführung des Zentralabiturs hat sich die Landesregierung von anderen CDU-geführten Ländern beeinflussen lassen - was die Sicherheitsvorkehrungen einschließt. NRW agiert nach dem niedersächsischen Modell. Dort wurde bereits im vergangenen Jahr das Zentralabitur eingeführt und mit dem Aufgaben-Download aus dem Internet gearbeitet. Sicherheitslücken habe es bisher nicht gegeben, sagt Georg Weßling vom niedersächsischen Kultusministerium: "Klausurfragen sind nicht vorher in Umlauf gekommen."

Fast hätten gestern bei der Deutschklausur die Unmengen von Kopien zu einem Sicherheitsrisiko werden können: "Der Schulsafe quoll über", erzählt Wolfgang Hardering, Schulleiter am Dortmunder Bert-Brecht-Gymnasium. Er habe sich über den riesigen Kopieraufwand geärgert, so Hardering. "Das waren etwa 15 Seiten für jeden Schüler." Mit dem Download habe alles reibungslos funktioniert: "Ich war froh, dass ich nicht noch die Hotline des Ministeriums bemühen musste", sagt Hardering.

Die Fragen seien verständlich, manche Aufgabenstellungen sogar vertraut gewesen, sagt Hardering. Dabei war die Angst vor dem Zentralabitur groß: Beim Testlauf im vergangenen Jahr hatten die SchülerInnen viel schlechter abgeschnitten als im Jahr zuvor. Allein in Mathematik schafften 42 Prozent der SchülerInnen nicht einmal ein "ausreichend." "Vor der Matheklausur fürchten wir uns am meisten", sagt Hardering. Nach dem Flopp bei der Generalprobe ist das Ministerium den Schulen entgegen gekommen: Die MathematiklehrerInnen wählen jetzt gemeinsam von zwei Vorschlägen den verständlicheren aus.

STEPHANIE KASSING UND NATALIE WIESMANN

tageszeitung, Berlin, 27. März 2007
Original: http://www.taz.de/index.php?id=archiv&dig=2007/03/27/a0010

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