Es funktioniert wie Twitter. Doch per Blippy teilt man der Welt weniger den Gemütszustand als den Kontostand mit. Das Portal veröffentlicht Kreditkartenrechnungen. Datenschützer entsetzt
Eine Woche Malediven: 2.800 Euro. Ein neuer Laptop: 1.400 Euro. Der ganzen Welt mitteilen können, für was man so sein Geld verpulvert: Unmöglich. Bis jetzt.
„Blippy“ heißt das Online-Portal, auf dem seit vergangener Woche User ihre Kreditkartenrechnungen online stellen können. Ähnlich wie bei Twitter muss man sich dafür ein Profil anlegen, zusätzlich dazu aber seine Kreditkarten-Daten angeben. Jedes Buch, jede CD, jeder Keks den man danach mit der Karte kauft, erscheint auf der Seite. Anzeige
Letzte Woche zum Beispiel hat Userin „Cat“ 2,54 Dollar bei Starbucks ausgegeben und am gleichen Tag nochmal 3,96 bei Taco Bell. Oder User "JohnO": 44,82 Dollar bei Woolworth, drei Wochen vorher 588,50 Dollar für vier Nächte in einem Hotel in Kuala Lumpur.
Wer möchte, kann unter den Beträgen einen Kommentar hinterlassen,. Dort wird dann zum Beispiel diskutiert, ob 3,99 für ein Päckchen Schinken überteuert sind oder wo man billiger Tanken kann.
Der Name Blippy kommt von dem Geräusch, dass eine Supermarktkasse beim Einkauf macht, nämlich "Piep", auf Englisch "Blip". Die öffentliche Registrierkasse wird in einigen amerikanischen Blogs und Gadget-Seiten schon als nächstes großes Ding nach Twitter abgefeiert – was aber auch daran liegen kann, das sich die beiden Seiten zum verwechseln ähnlich sehen.
Andere Blogger fragen sich dagegen, worin denn bitte der Reiz liegen soll, seine gesamten Rechnungen von Internetusern kommentieren zu lassen. Philip Kaplan, einer der Macher von Blippy, erklärte in einem CNN-Interview, das Portal solle dabei helfen, Preise zu vergleichen und Schnäppchen zu finden. Dummerweise geht das aber auch schnell nach hinten los, andere User vermiesen einem dann nämlich den letzten Einkauf. Eine Jeans für 85 Euro? Viel zu teuer, da wurdest du wohl abgezockt.
Auf der anderen Seite eignet sich das Portal natürlich auch ganz hervorragend zum Angeben und Prahlen. Während man bei Facebook nur die Fotos vom letzten Skiurlaub posten kann, erfahren die Blippy-Freunde auch noch gleich, wie viel der ganze Spaß gekostet hat. Und endlich bekommen auch Freunde und Bekannte einmal mit, was für ein altruistischer Mensch man ist: „jhong“ hat zum Beispiel 10.000 Dollar für Ärzte ohne Grenzen gespendet. In mehr als 20 Kommentaren kann er sich dafür das Lob abholen.
Mehr als 5.000 Mitglieder soll Blippy laut Kaplan schon haben, und es werden angeblich immer mehr. In einem Interview erklärte er, dass die Blips zusammengerechnet bereits über fünf Millionen Dollar Umsatz registriert haben, bald will man auf eine Million täglich kommen.
Datenschützer sind wenig begeistert von dem Portal. Dietmar Müller, Pressesprecher des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, sagt: „Verantwortlich für seine Daten ist natürlich jeder selbst. Aber Datenvermeidung ist immer noch der beste Datenschutz“.
Und beim FoeBuD e.V., einem Verein der sich für Datenschutz einsetzt, hofft man darauf, dass sich Blippy in Deutschland einfach nicht durchsetzt. Bis jetzt funktioniert das System ohnehin nur bei amerikanischen Kreditkarten. User aus Deutschland können nur Einkäufe bei iTunes oder Amazon posten – oder, wenn sie online mit PayPal bezahlt haben.
Damit allzu prekäre Einkäufe nicht unter dem Profil erscheinen, schlagen die Macher von Blippy vor, man solle einfach mehrere Kreditkarten nutzen. Eine, für die ganz alltäglichen Einkäufe, und eine andere, mit der man all die Dinge zahlt, die besser niemand anderes erfährt.
Auch Blippy-Mitbegründer Philip Kaplan hat natürlich einen Account. Mehr als 2.000 Leute haben seine Kreditkartenabrechnung abonniert und erfahren so, dass Kaplan gerne Computer-Hardware kauft, für 280 Dollar nach L.A. fliegt (Business-Termin!) oder im Ritz Carlton Hotel am Lake Tahoe für 9,85 Dollar eine heiße Schokolade getrunken hat. Auch wenn er und seine Kollegen bis jetzt noch nicht verraten haben, wie sie aus Blippy Profit schlagen wollen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Seite sich für sie auf die eine oder andere Weise lohnen wird. Eine gute Idee ist eben immer noch unbezahlbar.
Christoph Gurk
tageszeitung, Berlin, 28. Januar 2010
Original: http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/seht-was-ich-gekauft-habe/