Ziemlich unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit traf die EU-Kommission Ende 2005 eine Entscheidung, die die Mitgliedsländer zu einer Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten verpflichten soll. Nach den Vorstellungen des EU-Justizkommissars Franco Frattini sollen in den EU-Staaten Anbieter im Telefonbereich verpflichtet werden, Verbindungs- und Standortdaten ihrer Nutzer künftig pauschal ein Jahr und im Internetsektor sechs Monate aufbewahren und den Strafverfolgungsbehörden bei Bedarf zur Verfügung zu stellen.
Mit dem Richtlinienentwurf sollte ein jahrelanger Streit innerhalb der EU-Staaten um die Datenspeicherung zu einem Abschluss kommen. Doch die Pläne stießen bei den Politikern vieler EU-Staaten weiterhin auf Bedenken. Auch der deutsche Bundestag meldete Widerspruch an. Daher steht eine Entscheidung der EU-Justizminister bisher noch aus.
Am vergangenen Dienstag sind Datenschützer, Mitglieder der Verbraucherzentrale und Journalisten mit einer Erklärung gegen die Vorratsspeicherung an die Öffentlichkeit gegangen. Die geplante Datenspeicherung sei völlig inakzeptabel, heißt es in der Erklärung, die u.a. von dem Bundesverband der Verbraucherzentrale, dem Deutschen Journalisten-Verband, dem Verein gegen Missbrauch im Internet, dem FoeBuD und dem Chaos Computer Club unterzeichnet wurde.
Die Organisationen wollen mit ihrer Initiative die Öffentlichkeit für die Problematik sensibilisieren und die Regelung einer juristischen Prüfung unterziehen. Die Chancen, dass die Datenspeicherung dadurch gestoppt werden könnte, sind gar nicht so aussichtslos. Schließlich hatte das Darmstädter Landgericht erst Ende Januar 2006 dem Münsteraner Holger Voss in seiner Klage gegen die T-Online AG recht gegeben und die Speicherung der Internetverbindungsdaten, wie sie von dem Unternehmen praktiziert wurde, für mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt (Bresche für den Datenschutz).
Die Kritik der Datenspeicherung wird allerdings von einem sehr moderaten Forderungskatalog begleitet. So werden die Abgeordneten des Bundestags aufgefordert, Alternativen zu der Vorratsspeicherung zu prüfen, die nicht so gravierend in die Privatsphäre der Menschen eingreifen. Zu den Einzelforderungen gehört u.a. die Ausschöpfung der von der EU-Kommission eingeräumten Umsetzungsfrist bis Mitte 2007, die Aufhebung von Identifikationspflichten im Internet und bei der Handynutzung, sowie die staatliche Übernahme der zusätzlichen Kosten für die Anbieter von Internetdiensten. Außerdem sollen auf die Daten von Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern, Journalisten und ähnlichen Berufen nur in Ausnahmefällen zulässig sein.
Gerade bei diesen beiden Forderungen fällt auf, wie moderat die Initiative argumentiert. Mit der staatlichen Kostenübernahme für das Überwachungsprozedere ist schließlich nicht das Problem des Datenschutzes gelöst, aber ein möglicher Störfaktor gegen eine reibungslose Einführung wäre ausgeschaltet, wenn die Anbieter entschädigt würden. Dass selbst der Zugriff auf die Daten von Ärzten und anderen Berufen mit einer besonderen Vertrauensstellung in Ausnahmefällen zugelassen werden soll, ist besonders unverständlich. Damit wird schließlich ein Einfallstor für ständige Überprüfungen offen gelassen.
Peter Nowak
telepolis, Hannover, 08. Februar 2006
Original: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21992/1.html