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Mach' doch mal endlich was!

"Warum gibt es eigentlich so wenig Sammelverfassungsklagen?" - eine Frage, die in letzter Zeit immer wieder in den Foren oder per Mail gestellt wird. Einfache Antwort: Weil sie keiner organisiert.

Vorab die gute Nachricht in eigener Sache: Das Geld zur Finanzierung einer Verfassungsbeschwerde gegen das umstrittene BKA-Gesetz ist komplett vorhanden. Danke an alle Spender und jene, die die "Botschaft weitergetragen haben". Es ist nicht wirklich klar, ob und in welcher Form das BKA-Gesetz zustande kommt, aber ich gehe zur Zeit nicht davon aus, dass die Verabschiedung so sein wird, dass man guten Gewissens auf eine Beschwerde verzichten soll.

Aber wichtiger ist mir eine andere Angelegenheit: Bürgerrechtsaktivisten sehen sich zunehmend einer enormen Erwartungshaltung ausgesetzt. Man verzeihe die deutlichen Worte, aber man fühlt sich schon fast wie im Film "Das Leben des Brian", wenn bei jedem vermutlich verfassungswidrigen Gesetz, jeder Initiative usw. schon der Ruf nach "Ak-Vorrat, tut was! Twister, tu was! FoeBuD, macht was! usw." erfolgt.

So wie in dem vorgenannten Film Brian, dem seine Anhänger hinterherlaufen, sich zunehmend mit der Rolle des unfreiwilligen Messiahs konfrontiert sieht; ab und zu noch versucht, denjenigen, die ihm als "Masse" zujubeln, beizubringen, dass sie alle Individuen sind... so dürfte es auch etlichen Bürgerrechtlern gehen.

Ich weiß nicht, ob es der Wunsch nach einem Führer ist (Irgendwo müsste es noch eine gleichnamige Geschichte von mir geben: Wir brauchen einen Führer) oder einfach das Gefühl, alleine hilflos zu sein, ob es Bequemlichkeit, Faulheit, Ratlosigkeit oder was auch immer ist. Aber es ist eine Tatsache, dass die Bürgerrechtler nicht die nächsten Machtpersonen werden soll(t) en, es sollte mehr Eigenverantwortung geben. Insofern ist der ewige Ruf "was machst Du dazu, Twister?" letztendlich nicht einmal mehr schmeichelhaft oder für das Ego förderlich, sondern setzt einem auch einem starken Druck aus - indem jeder, der danach ruft, dass etwas getan wird, selbst aber eher dasitzt und höchstens eine Onlineunterschrift leisten will, seine Verantwortung abgibt und einfach nur auf jemanden (wen auch immer) wartet, der diese übernimmt - dadurch schafft er den Raum für die nächste Machtfülle.

Dazu kommt, dass sich so oftmals völlig absurde Diskussionen ergeben. Die wohl schrägste dieser Diskussionen habe ich seit längerem mit jemandem, der auch bei jeder Gesetzinitiative fragt, was ich dagegen tun würde. Ich versuche ihm stets begreiflich zu machen, dass ich nicht gegen alles etwas tun kann, er selbst aktiv werden sollte. Ergebnis des Ganzen: er fragt, was er tun soll. Nachdem ich es ihm einmal erklärte, ist er bei dem Punkt angelangt, dass ich dies sowieso besser kann und deshalb übernehmen sollte, ein "ich habe keine Zeit" sieht er als Ausrede, ein "kein Geld" ebenso, ein "aber Du kannst das auch" als Schmeichelei und das Argument, dass ich nun einmal nicht die "Datenschützer/Bürgerrechtlerikone bin und alles übernehmen kann" als Koketterie. (seufz)

Einfach kann man dieses Verhalten wohl mit den Worten eines Herrn zusammenfassen, der sich meldete als es noch um STOP1984 ging: "Ich habe weder Zeit noch Geld noch will ich wirklich etwas schreiben oder verlinken. Ich bin auch nicht bereit, mein Privatleben zu opfern oder einzuschränken. Wenn ich trotzdem helfen kann - sag Bescheid wie. Ich möchte gerne helfen." Meine Antwort war letzten Endes: "Gut: schreib mir nicht mehr, denn das kostet meine Zeit."

Es nutzt nichts, irgendwelche Bürgerrechtler oder Datenschützer auf einen Thron zu heben und zu hoffen, dass sie von dort aus dann gerecht regieren und agieren. Es liegt an jedem selbst, etwas zu tun. Die Klage, dass es z. B. keine Sammelverfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz geben wird, ist schnell getippt - nur lässt sie außen vor, dass es sich bei den Bürgerrechtlern wie mir schlicht und ergreifend nicht um irgendwie bezahlte Leute handelt, die den ganzen lieben langen Tag sich dem hehren Kampf widmen können. Es ist unmöglich, gegen jede "Sauerei" anzugehen und zeitgleich noch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (von Privatleben ganz zu schweigen). Wer also eine Sammelverfassungsbeschwerde will und sie für sinnvoll erachtet (dies tun viele), dem steht es frei, sie selbst zu initiieren.

Dies wäre gleich in mehrfacher Hinsicht sinnvoll. Zum einen würde es zeigen, wie viel Arbeit hinter einem solchen Unterfangen steckt, zum anderen würde es auch neue Leute dazu "bringen", sich öffentlich für die Bürgerrechte auszusprechen, würde quasi die nächste Generation Bürgerrechtler ins Licht der Öffentlichkeit schicken.

Es ist verständlich, dass Frustration und Resignation zunehmen, aber die eigene Verantwortung stets auf andere abzuwälzen und hilflos nach dem Messiahs zu rufen, hilft nicht. Im Gegenteil. Und die ganze Last auf ein paar Schultern zu packen, führt nur zu Rückenschmerzen bei den Leuten.

Bettina Winsemann

telepolis, Hannover, 04. Dezember 2008
Original: http://www.heise.de/tp/blogs/5/119943

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