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Big Brother is watching you

Videoüberwachung auf dem Campus

Das Thema Videoüberwachung ist ein Dauerbrenner an deutschen Hochschulen. Zwei aktuelle Fälle bringen nun wieder Bewegung in die Datenschutz-Diskussion.

Seine Studenten sollen ohne Unbehagen zur Uni gehen. Das liegt Jörg Wallmeier, dem Präsidenten der Fachhochschule Trier am Herzen. Oder wie er es vor wenigen Wochen dem SWR ins Mikrofon sagte: „Ich würde gerne den Ruf eines besonders sicheren Ortes in Rheinland-Pfalz für meinen Campus erreichen wollen.“ Noch immer wirkt in Trier der Fall „Tanja Gräff“ nach. Die damals 21-jährige Studentin verschwand vor drei Jahren bei einem Uni-Fest auf dem Gelände spurlos. Auch deshalb möchte der Präsident nun den kompletten Campus und auch das angrenzende Waldstück mit Videokameras lückenlos überwachen.

Die Studentenschaft scheint über das Vorhaben gespalten, klare Kritik gab’s dafür vom zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten und der Piratenpartei. Deren regionaler Sprecher Thomas Heinen sieht in der Komplettüberwachung einen „Eingriff in die Grundrechte des Menschen“. Neben den finanziellen Kosten, die er lieber in bessere Bildung investiert sähe, vermutet er einen Rückgang von Zivilcourage: „Wenn da eine Kamera hängt, denkt doch jeder: Da brauche ich nicht einzugreifen.“ Zum besseren – und nachgewiesen effektiveren - Schutz empfiehlt der Politiker ganz pragmatisch den Gang zum Baumarkt: „Es macht viel mehr Sinn die Beleuchtungssituation auf dem Campus zu verbessern oder zum Beispiel die Hecken zurück zu schneiden.“ Damit liegt er auf einer Linie mit dem Landesdatenschutzbeauftragten, mit dem die Uni nun gesprochen hat. Denn nicht alles, was der Präsident plante, war rechtlich auch gestattet (s. Infokasten).

Dabei sollten die Hochschulen in Deutschland mittlerweile wissen, was erlaubt ist, und was nicht. Schließlich ist das Thema nicht neu. Bereits 2004 erhielt die Uni Paderborn den sogenannten „Big Brother Award“ für die Überwachung ihrer Räumlichkeiten. Zwei Jahre später entdeckten Berliner Studenten an der Humboldt-Uni Kameras aus Stasi-Zeiten im Hörsaal und an der Uni Münster zog der Asta gegen die eigene Hochschule erfolgreich vor Gericht. 2009 wehrten sich die Beobachteten an der Leipziger Uni und „verschönerten“ die Überwachungskameras mit Aufklebern und Müllbeuteln.

Ganz so energisch ist der Asta der Leibniz-Uni Hannover nicht. Doch auch in Niedersachsen störte sich die Studentenvertretung an der Vielzahl der Kameras. Auch hier, wie in Trier, reagierte die zuständige Landesbehörde rasch. Nach der Prüfung der 34 Kameras im März durch den Landesdatenschutzbeauftragten stand fest: Alle Geräte dürfen bleiben, dennoch verstößt die Art der Überwachung gegen einige Gesetze. Dazu gehört zwingend auch ein Hinweis auf die Überwachung, der in Hannover fehlte. Michael Knaps, Sprecher des niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten erklärt: „Wo Kameras hängen, muss auch der Hinweis sein, wem sie gehören und dass ich gefilmt werde. Sie müssen so angebracht werden, dass ich vorher entscheiden kann, ob ich gefilmt werden möchte, bevor ich in den Einzugsbereich der Kameras komme.“ Daneben entdeckten die Datenschützer Aufnahmen, die mehr als drei Jahre alt waren. Im Normalfall dürfen Überwachungsvideos maximal einige Tage gespeichert werden. Und auch mit den eigenen Campusgrenzen nahm man es an der Leine nicht so genau. Eine Kamera konnte theoretisch sogar in das Zimmer eines angrenzenden Hotels filmen. Nun gelobt die Uni Besserung und verspricht alle Missstände zeitnah zu beheben.

Trier und Hannover. Die beiden Beispiele deuten darauf hin, dass in die Debatte um Überwachung und Datenschutz auch an den Hochschulen wieder Bewegung kommt, nicht zuletzt durch den Einsatz der Piratenpartei, die zahlreiche ihrer Mitglieder im studentischen Umfeld hat. Dabei herrschen in Deutschland in puncto Videoüberwachung „zum Glück noch vergleichsweise moderate Zustände“, wie Florian Glatzner vom Datenschutzverein FoeBuD erklärt und ergänzt: „Großbritannien ist, was Videoüberwachung angeht, weltweit führend.“ Allerdings eher als abschreckendes Beispiel. Im Sommer 2009 wurde der Jahresbericht für die Videoüberwachung von London veröffentlicht. Um ein einziges Verbrechen aufzuklären, benötigte die Metropole statistisch gesehen 1 000 Kameras.

Jan Thiemann

UNICUM.de, Bochum, 31. Mai 2010
Original: http://www.unicum.de/evo/UNICUMde/uni/Campus/2010/Big-Brother-is-watching-you

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