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Digitale Spuren

Im Kampf gegen die Kinderpornografie im Internet ist Fahndern aus Sachsen-Anhalt ein neuer Schlag gelungen. Bundesweit ermittelten sie 322 Verdächtige. Eine Zusammenarbeit dieser Größenordnung hat es in Deutschland wohl noch nicht gegeben: 14 Kreditkarten-Unternehmen stellten die Daten von verdächtigen Kunden zur Verfügung, um die Nutzer von Kinderpornos im Internet zu fassen. Auch wenn in diesem speziellen Fall jeder froh über den Erfolg der Fahnder ist, stellt sich doch generell die Frage: Wie funktioniert die Fahnung im Internet? Und: Welche Spuren hinterlassen wir freiwillig und unfreiwillig im Netz?

Eine digitale Akte sammelt Kundendaten In einem unscheinbaren Büro in Bielefeld sitzen die schärfsten Datensammel-Kritiker der Republik. Elektronische Wachhunde nennen sie sich. Datenmissbrauch aufspüren ist ihr Geschäft. Der Verein für Datenverkehr, kurz Foebud e.V. zeigt, was er darunter versteht: Beispiel Online-Shopping. Wer "Amazon" eingibt, wird persönlich begrüßt. Das Unternehmen weiß, welcher Computer auf seiner Seite surft. Eine digitale Akte sammelt, was der Internetnutzer sich früher schon einmal angeguckt hat, erklärt padeluun von Foebud. "Das Unternehmen kann anhand einer Software und Algorithmen erkennen, wer der Besucher ist und was er sucht. Und es wird versuchen, seine Wünsche zu verstärken, indem es in die Leisten rechts und links Waren anpreist, die in sein Profil passen. Außerdem kann das Unternehmen Rückschlüsse auf den Computer ziehen bis hin zum Betriebssystem."

Anonymisierungs-USB Stick Kredtikarten; Rechte: ddp Wer seine Daten nicht preisgeben will, greift zu einem Anonymisierungs-USB Stick. Amazon kann den Computer dann nicht mehr identifizieren. Die Daten, die das Unternehmen gesammelt hatte, sind verschwunden. Der USB-Stick für 20 Euro macht den Internetnutzer unsichtbar, so padeluun. "Das ist ein Netzwerk von anonymisierten Rechnern. Er führt von Rechner A nach B, der nichts von A weiß. B führt ihn weiter zu C usw. Bis er dann irgendwann über verschiedene Router am Zielrechner landet."

Digitale Spuren im Alltag Nicht nur im Internet, fast überall hinterlassen wir mittlerweile digitale Spuren im Alltag. Wer Payback- oder Kreditkarten nutzt, dessen Daten werden gespeichert. In Datenbanken von Adressen- und Datenhändlern. Kundenprofile werden angelegt, Kaufverhalten abgeleitet. Funkchips werden in Reisepässe eingebaut. Oder auch in die Bahncard 100, was die meisten Besitzer nicht wissen. Lebensmittelkonzerne testen die Funkchips für Supermärkte. Sie sollen den Strichcode ablösen und verraten dann viel über den Käufer, kritisiert die engagierte Datenschützer Rena Tangens, ebenfalls Mitglied bei Foebud. "Auf dem Chip kann man eine ganze Menge speichern. Jeder Joghurtbecher bekommt eine weltweit einzigartige Codenummer. Und in Verbindung mit der Kundenkarte oder dem Einkaufszettel des Kunden kann der dann identifiziert werden. Der Käufer ist über das Produkt dann dem Unternehmen als Person mit seinen Daten bekannt. Und er kann verfolgt werden."

Verfassungsschutz darf private PC ausspähen Beschlagnahmter Computer; Rechte: dpa Längst nutzen auch die Fahnder digitale Spuren, von denen ihre Urheber meist nichts wissen. Seit einem knappen Monat darf der Verfassungsschutz NRW private PC hierzulande ausspähen. Per Datenleitung. Allerdings nur bei begründetem Verdacht: Im Zusammenhang mit Landesverrat, Hochverrat, Mord, Brandstiftung oder Gründung einer terroristischen Vereinigung. Was darüber hinaus geht in Richtung Überwachungsstaat, ist selbst innerhalb der Polizei nicht unumstritten, erklärt Winrich Grnanitzka, Polizeidirektor a.D. "Ich bin wirklich dagegen, dass jetzt alle Menschen in ihren Bewegungen und Kontakten überwacht werden. Mit wem fahre ich Auto, mit wem rede ich, etc. Das darf der Staat nicht."

Vermeintliches Recht auf private Daten Aber genau das, sagen die Bielefelder Datenschützer, passiere zur Zeit schon. Und meinen damit die EU-Gesetzesvorlage zur so genannten Vorratsdatenspeicherung. Was das bedeutet, weiß Padeluun. "Alle Kommunikationsdaten, egal ob sie über das Internet, das Telefon oder das Fax gehen, sollen nach diesem Entwurf sechs Monate gespeichert werden können. Damit würden alle Menschen unter Generalverdacht gestellt."

Eigentlich hat jeder das Recht über seine privaten Daten selbst zu bestimmen, sagt das Bundesverfassungsgericht. Doch die Realität sieht anders aus.

Westdeutscher Rundfunk, Köln, 13. Januar 2007
Original: http://www.wdr.de/tv/aks/spezialbeitraege/20070113_digispuren.jhtml

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