Facebook ist bislang das mit Abstand größte und erfolgreichste soziale Netzwerk. Durch eine ganze Reihe von unpopulären Entscheidungen wenden sich aber immer mehr Nutzer ab und löschen ihre Mitgliederkonten. Welche Alternativen gibt es?
Warum steht Facebook in der Kritik?
Datenschützer kritisieren vor allem Facebooks Umgang mit dem Recht auf Privatsphäre und attestieren dem Netzwerk eine übertriebene Daten-Sammelwut. Mittlerweile reagieren auch die Nutzer selbst skeptischer. Mit seinen undurchsichtigen AGB, die ständig geändert werden, verspielt der Konzern immer mehr das Vertrauen seiner Nutzer. Es ist kein Geheimnis, dass Facebook als kommerzielles Unternehmen davon lebt, dass es die Daten seiner Nutzer sammelt, analysiert und verkauft. Unklar bleibt jedoch, wer diese Daten kauft und was mit ihnen geschieht. Werden sie an die Sicherheitsbehörden weitergegeben? Werden die Daten an Versicherungen verkauft? Markus Beckedahl, Gründer des Blogs netzpolitik.org und Digitale Gesellschaft e.V., sieht große Gefahren – gerade beim Datenschutz.
Welche Folgen hat die Übermacht Facebooks für die Nutzer?
Alle Möglichkeiten und Dienste innerhalb des Netzwerks werden zentral von diesem Konzern verwaltet. Facebook entscheidet alles allein - und macht so seine eigenen Regeln und Gesetze. "Bei Facebook gilt nicht unser Grundgesetz", so Beckedahl. Es gilt die allgemeine Geschäftsbedingung. "Das ist relative Willkür", sagt Beckedahl. Algorithmen und Facebook-Mitarbeiter bestimmen, was auf Facebook angezeigt wird und was nicht. Entblößte Brüste gehen nicht, Gewaltdarstellungen schon. Eine rechtliche Handhabe dagegen gibt es nicht. Facebook sammelt Nutzerdaten auch außerhalb seiner Plattform. Der "Gefällt-mir"-Button wird auf unzähligen Webseiten mit eingebaut, als so genanntes Plug-In. Damit kann man Links zu interessanten Webseiten kinderleicht auf der eigenen Facebook-Seite posten. Aber: dieses Plug-In sendet auch zurück. So kann Facebook das Surfverhalten seiner Nutzer verfolgen und eine Art digitales Bewegungs-Profil erstellen.
Welche Alternativen gibt es zu Facebook?
Google Plus ist zwar ein soziales Netzwerk, aber kaum anders als Facebook und für viele keine Alternative. Wie Facebook ist auch Google Plus kommerziell und zentral organisiert - auch wenn Google verspricht, mehr Wert auf Datenschutz zu legen. Doch es gibt viele andere Konzepte für alternative, nicht-kommerzielle Plattformen, zum Beispiel die bislang kaum bekannten Netzwerke Lorea, Friendica und SecuShare. Am Bekanntesten wurde bisher Diaspora, vor allem wegen eines erfolgreichen Spendenaufrufs im Netz. Im Jahr 2010 konnte das Projekt über 150.000 Euro von Unterstützern einsammeln. Trotzdem hat Diaspora nur rund 400.000 Nutzer. Zum Vergleich: Auf Facebook tummeln sich weltweit mehr als eine Milliarde Nutzer.
Sind meine Daten bei den kleineren sozialen Netzwerken sicher?
Technisch basiert das Netzwerk Diaspora auf der Idee, dass die Daten der Nutzer nicht zentral bei einer großen Firma gespeichert werden, sondern auf unabhängigen Computer-Servern, so genannten "Pods". So ein Pod könnte auf dem eigenen Computer laufen, bei einem Freund oder dem Anbieter, dem man vertraut. Der Nutzer kann also selbst wählen, was gespeichert und was gelöscht wird. Die große Schwäche ist allerdings, dass sämtliche privaten Daten auf diesem einen Server liegen und dort gesammelt werden - offen und unverschlüsselt. Wie ein Tagebuch, das man einem Freund anvertraut - mit der Bitte, dort niemals hinein zu schauen. Ähnlich wie Diaspora funktioniert auch die alternative Plattform Friendica - mit einem großen Unterschied: Hier können Nutzer ihre Kontakte aus anderen Netzwerken mitnehmen - sogar aus Facebook. Außerdem kann sich jeder mehrere Identitäten zulegen und zum Beispiel ein Profil für die Familie einrichten, eines für die Kollegen, eines für den Fußballverein.
Können die alternativen Netzwerke Facebook irgendwann ersetzen?
Bislang treffen sich in alternativen Netzwerken fast nur Nerds und Netzaktivisten. Die Plattformen sind untereinander nicht vernetzt. Würde sich dies ändern, etwa durch offene Standards, Schnittstellen oder offene Systeme, könnten die alternativen Netzwerke allgemein mehr Nutzer gewinnen - und so vielleicht tatsächlich eines Tages gegen Facebook konkurrieren. "Dann ist es im Endeffekt so wie bei der E-Mail, wo sich auch jeder seinen eigenen Provider aussuchen kann und man trotzdem alle erreicht, egal, bei welchem Provider sie sind", erklärt Leena Simon, Technikphilosophin und Mitarbeiterin bei Digitalcourage e.V. Das ist auch die Kernidee von Social Swarm, einer jungen, unabhängigen Initiative. "Wir haben uns gedacht: Wir brauchen wirklich ein komplett verteiltes Netzwerk, mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, so dass wir wirklich unabhängig werden", so Daniel Reusche. Er ist ehrenamtlicher Entwickler bei Social Swarm und erklärt das Prinzip so: "Wir wissen nicht, wem du schreibst, wir haben keinen Zugriff auf deine Daten – das ist quasi eine Umsetzung des Briefgeheimnisses fürs Internet."
Warum geht die Weiterentwicklung innovativer Projekte nur schleppend voran?
Das größte Problem ist meistens die Finanzierung. Ein Skandal, findet Markus Beckedahl. "Ich kenne eine ganze Menge kreative, junge Entwickler, bei denen scheitert es echt daran, dass sie nicht mal 5.000 Euro oder 10.000 Euro bekommen", so Beckedahl. Er fordert Subventionen von staatlicher Seite, die in einer Stiftung für freie Software und dezentrale Technologien zusammenlaufen könnten. Nur so könne gewährleistet werden, dass vielversprechende Projekte auch in Deutschland realisiert und weiterentwickelt werden.
Nika Bertram
Westdeutscher Rundfunk, Köln, 22. Mai 2013
Original: http://www1.wdr.de/themen/wdr5/facebookalternativen100.html