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Reaktionen auf US-Internetspionage

Die US-Geheimdienste zapfen laut Zeitungsberichten seit Jahren die Daten von Internetprovidern und sozialen Medien wie Facebook an. Das Ausspähen von Internet-Aktivitäten löst auch in NRW Diskussionen aus. Der Landesdatenschutzbeauftragte rät Internetnutzern zu mehr Vorsicht.

Glaubt man den jüngsten Enthüllungen, sind auch wichtige Internetdaten von Millionen NRW-Bürgern systematisch ausgespäht worden. Das Landeskriminalamt in Düsseldorf kommentiert den Verdachtsfall dennoch nicht. Zwar gebe es beim LKA in Düsseldorf eine Cybercrime-Einheit, aber da es sich um Internetdienste in den USA handelt, sei man nicht zuständig, sagte ein Behördensprecher am Freitag (07.06.2013). Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums sagte, NRW-Sicherheitsbehörden hätten keinen Zugriff auf Server von Onlinediensten.

Kritik kommt vom Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Ulrich Lepper. "Falls die Berichte über das PRISM-Programm zutreffen, bestätigte sich für viele eine Vermutung gegenüber US-Behörden", sagt der Datenschützer auf WDR.de-Anfrage. "Für deutsche Nutzerinnen und Nutzer wäre eine solche Überwachung durch den US-Geheimdienst ein sehr schwerwiegender Eingriff in ihre Grundrechte. Wir versuchen, die Angelegenheit aufzuklären", sagt Lepper weiter. In jedem Fall gelte: "Es lohnt sich, darüber nachzudenken, welche Dienste und Produkte man für welchen Zweck verwendet. Informationen, die vertraulich bleiben sollen, sollten so verschlüsselt versendet und gespeichert werden, dass auch Diensteanbieter keinen Zugriff darauf haben."

Zugriff auf Fotos und E-Mails

Der US-Geheimdienst NSA und die Bundespolizei FBI überwachen laut Zeitungsberichten die Server von neun großen Internet-Firmen. Die Behörden hätten direkten Zugang zu den Servern von Unternehmen wie Yahoo, Facebook, Google und Microsoft, berichteten die "Washington Post" und der britische "Guardian" am Donnerstag (06.06.2013). Damit könnten NSA und FBI die Internetpräsenz von Nutzern überwachen und auf deren Fotos, Videos, Emails sowie Verbindungsdaten zugreifen. Dem Bericht zufolge läuft das geheime Programm mit dem Namen PRISM seit 2007 und ist seither extrem gewachsen. Mittlerweile liefere es den größten Anteil zum täglichen Geheimdienst-Briefing für US-Präsident Barack Obama. Laut "Guardian" werden auf der Grundlage des Programms monatlich mehr als 2.000 Geheimdienstberichte erstellt. Den Berichten zufolge läuft die Serverüberwachung mit dem Wissen der betroffenen Internet-Unternehmen, zu denen auch AOL, Skype, YouTube, PalTalk und Apple gehörten.

Verein: Datensammler haben Macht über Menschen

"An diesen Enthüllungen ist neu, dass es jetzt eine Bestätigung für den direkten Zugriff auf alle Daten der großen Anbieter gibt", sagt Rena Tangens vom Verein "Digitalcourage" in Bielefeld. Bislang hätten Google und Co. stets angegeben, nur auf Anfrage der US-Behörden Daten herauszugeben. Diese Aussagen seien aber immer schon zweifelhaft gewesen. Nutzer von Facebook müssten damit rechnen, dass auch als privat eingestufte Nachrichten und Informationen von US-Behörden "maschinell analysiert werden", sagt Tangens. Der Verein "Digitalcourage" empfehle deshalb allen Verbrauchern seit langem, sich bei der Kommunikation und Präsentation im Netz nicht voll auf Facebook zu konzentrieren. "Viele Nutzer sind leider zu blauäugig, dabei haben sie bei Facebook keine Rechte." Google habe eine große Macht, "die diese Firma durch Sammlung von Daten aus unterschiedlichsten Quellen erlangt". Wer auch immer darauf Zugriff erhalte, "bekommt Macht über Menschen". Der Verein fordert bei der gerade in Brüssel anstehenden Reform der EU-Datenschutzverordnung eine strikte Bestimmung, die den Zugriff den großen Internetkonzerne auf Netzdaten in Europa möglichst weit einschränkt.

In ersten Reaktionen hieß es bei Microsoft, Google, Apple, Facebook und Yahoo, man gewähre keiner offiziellen Stelle direkten Zugang zu Servern. Google teilte mit, der Regierung sei nie "eine Hintertür" geöffnet worden. Microsoft erklärte, man folge nur solchen Anweisungen, die sich auf "spezifische Nutzer oder identifizierende Merkmale" bezögen. "Wir haben noch nie von PRISM gehört", sagte gar ein Apple-Sprecher. Die Zeitungen bleiben bei ihrer Darstellung. Ihre Berichte würden durch NSA-Papiere gestützt. Die "Washington Post" berichtete, ihr seien die Papiere zum streng geheimen PRISM-Programm von einem Geheimdienst-Mitarbeiter zugespielt worden. Dieser sei entsetzt gewesen über die grobe Verletzung der Privatsphäre der Nutzer. "Die können im wahrsten Sinne des Wortes sehen, wie Sie beim Tippen Ihre Gedanken ausformulieren", wurde der Insider zitiert. Die Daten ermöglichten es den Behörden, Bewegungen und Kontakte einer Person über einen langen Zeitraum zu verfolgen.

Piraten sehen Befürchtungen bestätigt

Die Piraten im NRW-Landtag zeigten sich wenig überrascht von den Berichten. "Jedem Nutzer muss klar sein, dass bei der Nutzung von Services amerikanischer Unternehmen wie E-Mail- und Cloud-Diensten oder anderer Angebote von Yahoo, Microsoft, Apple, Google, Dropbox und Facebook die Daten auch bei der amerikanischen Regierung landen", sagte der Piraten-Innenexperte Frank Herrmann. Zugleich forderte er die rot-grüne Landesregierung dazu auf, damit aufzuhören, "bei der Open.NRW-Strategie die Nutzung von Facebook zu propagieren". Auch ein entschlossenes Eintreten der Landesregierung für einen europäischen Datenschutz sei "wichtig, um Bürger, aber auch die Wirtschaft und Behörden zu schützen". Herrmann kritisierte in diesem Zusammenhang Rot-Grün und besonders Innenminister Ralf Jäger (SPD). Jäger fordere immer wieder weitere Überwachungsprogramme wie eine europäische Fluggastdatenspeicherung und die Vorratsdatenspeicherung. "Am Ende steht bei dieser Entwicklung die Überwachung der Gesamtbevölkerung nach amerikanischem Vorbild", rügt der Pirat.

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Digitalcourage e.V.

Der Verein "Digitalcourage" hieß früher FoeBuD ("Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs"). Die Organisation in Bielefeld gibt es seit 1987. Anstoßgeber war damals eine Ausstellung des Chaos Computer Club in einer Bielefelder Künstler-Galerie. Jahr für Jahr weist der Verein mit der Verleihung des Negativpreises Big-Brother-Awards auf die Verletzung der Privatsphäre durch Unternehmen und Regierungen hin. 2011 ging der Award an Facebook, 2012 an das sogenannte Cloud-Computing. 2013 waren unter anderem Apple, Post und Polizei dran.

Martin Teigeler

Westdeutscher Rundfunk, Köln, 07. Juni 2013
Original: http://www1.wdr.de/themen/politik/prism106.html

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