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Heuss-Medaille für unermüdliche Kritiker

Bielefelder Datenschutz-Verein geehrt

Sie haben Funkchips in Kundenkarten enttarnt, organisieren den Widerstand gegen die Telefon-Datenspeicherung und verleihen jährlich die "Big Brother Awards". Jetzt sind die Bielefelder Datenschützer des Vereins FoeBuD selbst ausgezeichnet worden.

Für sein Engagement für Bürgerrechte in der digitalen Welt hat der FoeBuD e. V. am Samstag (12.04.08) die Theodor-Heuss-Medaille erhalten. Weitere Geehrte sind in diesem Jahr unter anderem die Herausgeber des "Grundrechte-Reports" und der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP): Gemeinsam ist allen Preisträgern ihr Einsatz für Bürger- und Menschenrechte.

Wurzeln in der Hacker-Szene

Für den Verein FoeBuD ist die Medaille Anerkennung seiner mehr als zwanzigjährigen Arbeit. Sie dreht sich seit den Anfängen darum, wie der Mensch von der Technik profitiert, statt sich deren Zwängen zu unterwerfen.

Der "Verein zur Förderung des öffentlich bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) hat seine Wurzeln in der Hacker-Szene und wurde 1987 gegründet. Der umständliche Name ist eine Parodie auf das Beamten-Deutsch der damaligen Bundespost. Deren Telefonnetz nutzte der Verein zur Einrichtung seiner Mailbox "Bionic", die bis heute existiert und die in der Internet-Frühzeit vor dem World Wide Web den Informationsaustausch per Computer ermöglichte.

Kommunikations-Hilfe für Ex-Jugoslawien

Während des Jugoslawien-Kriegs Anfang der 90er Jahre halfen FoeBud-Mitglieder beim Aufbau eines Mailbox-Netzwerks, über das Friedensgruppen, Hilfsorganisationen und Privatpersonen über die Fronten hinweg kommunizieren können. "In Zagreb gibt es die Mailbox immer noch, und um sie herum eine ganze Szene", erzählt Rena Tangens - wie ihr Kompagnon Padeluun, der zweite wichtige Kopf des Vereins, trägt sie einen Künstlernamen.

Kampf gegen "Schnüffelchips" im Supermarkt

Seit 2001 ist die jährliche Verleihung der "Big Brother Awards" ein Schwerpunkt der Arbeit. Nach britischem Vorbild werden mit diesem Negativ-Preis Firmen, Institutionen oder Personen "geehrt", die sich als so genannte Datenkraken durch einen zu lockeren Umgang mit dem Datenschutz und das Eindringen in die Privatsphäre hervorgetan haben. In diesem Sinne preiswürdig befand die Jury in den vergangenen Jahren unter anderem Drogentests für Auszubildende bei der Bayer AG, die Lebensleistung von Ex-Bundesinnenminister Otto Schily oder die Abfrage von Personendaten bei der Bestellung von WM-Tickets.

Bereits 2003 erhielt der Handelskonzern Metro einen "Big Brother Award" für seine Pläne, Produkte mit RFID-Funkchips auszustatten. Wenig später deckten FoeBuD-Mitglieder auf, dass die Kundenkarten des Rheinberger "Future Stores" der Metro bereits RFID-Funkchips enthielten - ohne dass die Kunden informiert waren. Kritiker wie der FoeBuD befürchten, dass durch solche "Schnüffelchips" die Kunden in ungeahnter Weise überwacht werden könnten - Metro musste nach den Protesten einen Rückzieher machen.

Kleine Helfer zum Schutz der Privatsphäre

Auch auf anderen Gebieten wie bei der Online-Durchsuchung oder der Nutzung von Maut-Daten durch die Polizei warnt der FoeBuD in drastischen Worten vor den Folgen vermeintlicher harmloser Neuerungen für die Privatsphäre des Bürgers. "Weil wir uns mit Technologie gut auskennen, kennen wir auch die Gefahren oder können sie uns vorstellen. Wir haben vielleicht ein bisschen mehr Phantasie als andere Leute haben oder haben wollen. Und die Szenarien von Überwachung, Manipulation und Kontrolle sind äußerst erschreckend", sagt Rena Tangens.

Wer um seine Daten besorgt ist, kann sich mit kleinen Hilfsmitteln vom FoeBuD schützen. Im Angebot ist etwa eine Hülle, die den elektronischen Reisepass gegen heimliches Aushorchen abschirmen soll oder USB -Sticks mit Programmen für anonymes Internet-Surfen.

Mitgliederzahl seit 2006 verdreifacht

Seit gut zwei Jahren verspüren die Mahner vom FoeBuD e. V. wachsende Unterstützung für ihre Positionen: Die Zahl der Vereinsmitglieder ist von 60 auf knapp 200 gestiegen, in Berlin, Hamburg und Düsseldorf entstehen eigene Ortsgruppen. Zu einer von den Bielefelder Datenschützern mitorganisierten Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung kamen 15.000 Teilnehmer nach Berlin: "Das macht viel Mut", sagt Tangens.

Die meisten Mitstreiter des Vereins arbeiten ehrenamtlich. Seit April 2008 kann aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Fördergeldern eine vierte Mitarbeiterin im Vereinsbüro bezahlt werden. Tangens und Padeluun sind gefragte Interviewpartner für Journalisten und werden als Experten zu Konferenzen eingeladen.

"Aus hygienischen Gründen videoüberwacht"

Und wenn die FoeBuD-Fachleute morgen einen gut bezahlten Beratervertrag angeboten bekämen, um einem Großkonzern in Sachen Datenschutz zu helfen? "Das wäre eine ganz schwierige Frage", meint Tangens. Um seine Unabhängigkeit und Integrität zu wahren, habe der FoeBuD schon den "Runden Tisch" des Bundeswirtschaftsministeriums zur RFID-Technologie verlassen: "Dort konnten wir nichts mehr verändern."

Bei so viel Unabhängigkeit klingt bei den offiziellen Datenschutzbeauftragten manchmal sogar ein bisschen Neid, vor allem aber Anerkennung durch: "Anregend und unterstützend", lobt Bettina Gayk, Sprecherin der NRW-Datenschutzbeauftragten, die Arbeit der FoeBud-Mitglieder. "Durch ihre privaten Strukturen haben sie andere Möglichkeiten als wir und nutzen sie häufig viel pfiffiger." So prangt laut Gayk auch in manchen Räumlichkeiten ihrer Behörde der Aufkleber, mit der FoeBuD die Diskussion um Datenschutz und Privatsphäre anregen will: 'Aus hygienischen Gründen wird diese Toilette videoüberwacht.'

Fiete Stegers

Westdeutscher Rundfunk Online, Köln, 12. April 2008
Original: http://www.wdr.de/themen/politik/1/foebud/080412.jhtml?rubrikenstyle=politik

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