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Ein Kleinlaster voll mit Nein

Massen-Verfassungsklage gegen Elena

Vor zehn Tagen riefen Bielefelder Datenschützer zur massenhaften Klage gegen Elena auf, der umstrittenen Speicherung von Millionen Arbeitnehmerdaten. Am Donnerstag (25.03.10) endete die Einsendefrist für Mit-Kläger. Das Ergebnis: Ein Kleinlaster voll Post.

Sie war ja auf einiges gefasst. Aber mit über 28 Kisten Post hat auch Rena Tangens, die Vorsitzende des Bielefelder "Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) nicht gerechnet. In den kleinen Räumen von FoeBuD ist seitdem die Hölle los. Mehr als 15.000 Briefe mit Vollmachten öffnen, prüfen, lochen und einordnen - für die Mitarbeiter des Vereins kaum zu schaffen. Zum Glück kommt Unterstützung nicht nur per Post, sondern auch ganz praktisch: Völlig Unbekannte stehen vor der Tür und bieten ihre Hilfe an, erzählt Tangens, "und ein Unternehmen hat uns eine Maschine zum Brieföffnen geschickt, das war eine Riesenhilfe".

Dabei hätte es eigentlich gereicht, wenn nur ein einziger Bundesbürger gegen die zentrale Speicherung von Arbeitnehmerdaten vor das Verfassungsgericht gezogen wäre. Aber manchmal gilt eben doch: mehr hilft mehr. Das hat der Kölner Anwalt Dominik Boecker, der die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einreichen wird, beim Verfahren zum Vorratsdatenspeichergesetz gelernt: "Da hieß es, dem Gericht habe es gut gefallen, dass die Klage eine breite Unterstützung in der Bevölkerung hat." Damals hatten rund 35.000 Bürger geklagt. Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Nun hoffen die Datenschützer auch bei ihrem Großangriff auf Elena auf die Karlsruher Richter.

Millionen personbezogener Daten zentral gespeichert

Seit Anfang 2010 gilt das Elena-Verfahren, seitdem sind deutsche Unternehmen verpflichtet, die Einkommensdaten ihrer Mitarbeiter an eine zentrale Datei in Würzburg zu übermitteln. Wann hat das Arbeitsverhältnis begonnen, wann wurde es beendet, wie viel hat der Arbeitnehmer verdient? Dazu kommen Angaben über Fehlzeiten und Kündigungsgründe. Und das ist bereits die nachgebesserte Version. Nach heftiger Kritik hat das Arbeitsministerium darauf verzichtet, Streiktage, betriebliche Abmahnungen oder die Zugehörigkeit zum Betriebsrat zu erfassen.

Genutzt werden sollen die Daten ab 2012. Dann können zunächst Arbeitsagenturen und Elterngeldstellen darauf zugreifen, ab 2015 auch Kranken- und Pflegekassen, Renten- und Unfallversicherung, Sozialämter und Studentenwerke. Das Ziel: Weniger Papierkram, eine schnelle, gerechte und passende Bearbeitung von Anträgen. Die Behörden dürfen die Daten nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers einsehen, er gibt sie mit einem elektronischen Schlüssel auf einer Chipkarte frei. Allerdings nur einmalig, danach kann der Sachbearbeiter jederzeit wieder auf die Daten zugreifen.

Wer wird die Daten noch einsehen können?

Die Initiatoren der Klage kritisieren, dass in der bisher wohl größten Datenbank Deutschlands sensible Daten von rund 40 Millionen Bundesbürgern zentral gespeichert werden - ganz ohne konkreten Anlass. Anwalt Boecker: "Das ist ein Datenpool, der auf Vorrat erhoben wird mit der Begründung: Vielleicht können wir irgendwann einmal diese Daten brauchen, um damit irgendwelche Bescheide zu erfassen."

Unterstützung kommt von Gewerkschaften, Parteien, Menschenrechtsgruppen. Spiros Simitis vom Deutschen Ethikrat sagte im WDR, er halte das Verfahren für verfassungswidrig, da nicht klar sei, wozu einige der Daten überhaupt dienten. Und: "Offen ist auch, welche Rechte hat der Betroffene, was kann er korrigieren, wird er laufend informiert?"

Datenschützer und Juristen befürchten außerdem, dass auch andere staatliche Stellen, für die noch kein Zugriff vorgesehen ist, wie das Finanzamt oder die Polizei, ihr Interesse anmelden. Ein einfaches Bundesgesetz würde den erweiterten Zugriff ermöglichen. "Ich garantiere Ihnen, alle Daten, die erhoben werden, werden hinterher für andere Zwecke genutzt, als es ursprünglich im Gesetz drinsteht", sagt Ulrich Goll (FDP), Justizminister von Baden-Württemberg. "Das habe ich bisher in jedem Fall so erlebt und das hat mich eigentlich zu dem Punkt gebracht, dass ich heute sage, nur ein Datum, was nicht erhoben wird, ist wirklich geschützt."

Anwalt hält Gesetzesziel für richtig

Anwalt Boecker, der am kommenden Mittwoch (31.03.10) mit den Unterschriften im Gepäck nach Karlsruhe fahren wird, findet das Ziel des Gesetzes bei aller Kritik "absolut förderungswürdig", nicht aber den Weg der zentralen Speicherung. Die massenhafte Unterstützung der Klage ist für ihn Zeichen einer neuen Sensibilisierung in der Öffentlichkeit. "Vor fünf, sechs Jahren hätten Sie mit diesem Thema noch keinen Hund hinter dem Ofen hervorgelockt." Wie viele Kläger er am Ende tatsächlich vertreten wird, ist noch immer nicht ausgezählt. Wegen der ungeahnten Resonanz will FoeBuD die Frist doch noch ein wenig verlängern. Alles, was bis Montag (29.03.10) in Bielefeld ankommt, wird mitgenommen, verspricht Rena Tangens. "Die 20.000 werden wir wohl vollkriegen." Ein Kleinlaster ist jedenfalls schon angemietet.

Silke Wortel

Westdeutscher Rundfunk Online, Köln, 25. März 2010
Original: http://www.wdr.de/themen/politik/nrw03/datenschutz/100317.jhtml

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