Der Widerstand gegen das neue Meldegesetz wächst. Politiker und Datenschützer fürchten einen Datenhandel mit amtlichen Meldedaten. In NRW gilt bisher eine Regelung, die Adresshandel erschweren soll.
Das umstrittene Meldegesetz stößt auch in Nordrhein-Westfalen auf massive Vorbehalte. "Ich halte das Gesetz in einem zentralen Punkt für problematisch, weil ein Handel mit den Adressen und privaten Daten der Bürger nicht ausgeschlossen werden kann", sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag (09.07.2012). "Wir sind mit dem Gesetz nicht einverstanden, weil es eine Abkehr vom Prinzip der informationellen Selbstbestimmung bedeuten würde", sagte der Landesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Lepper.
Hintergrund der Kritik ist ein Passus im Gesetz, in dem es Adresshändlern, Inkassofirmen und Firmen der Werbebranche ermöglicht wird, auf Daten von amtlichen Registern zuzugreifen. Das Gesetz wurde Ende Juni im Bundestag verabschiedet. Die rot-grünen Länder wollen das Vorhaben im Bundesrat kippen. NRW kündigte die Anrufung des Vermittlungsausschusses an. Nun kommen selbst Schwarz-Gelb Zweifel. Bisher war das Meldewesen weitgehend Ländersache. Im Zuge der Föderalismusreform wechselte die Zuständigkeit jedoch komplett zum Bund. Protest gegen "Datenhandel vom Amt"
Vor allem im Netz regt sich Protest gegen die Novelle. Für Unmut sorgt, dass das Gesetz während des EM-Spiels der deutschen Fußball-Nationelf gegen Italien ohne Debatte vom Parlament beschlossen wurde. Der Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) mobilisiert seine Anhänger gegen den "Datenhandel vom Amt".
Wer seine Adresse an Werbetreibende geben wolle, könne das tun - "doch bei Meldeämtern muss Datenschutz Standard sein, ohne extra Aufwand für die Bürger. Meldeämter sind kein Selbstbedienungsladen für Adresshändler", sagte Rena Tangens von FoeBuD. Gemeinsam mit dem politischen Kampagnennetzwerk Campact sammelt der Verein Online-Protestunterschriften. Einzelauskunft kostet neun Euro
Allerdings sind Kommunen bei einer Melderegisterauskunft laut Städtetag bereits jetzt auf Anfrage gesetzlich verpflichtet, Adressangaben auch an Dritte weiterzugeben. In NRW kostet eine Einzelauskunft neun Euro. Für größere Gruppenauskünfte dürfen Städte bis zu 1.000 Euro verlangen. Allerdings gilt das nicht für Firmen, die Adressen für Werbezwecke sammeln. Vielmehr ist diese Regelung zum Beispiel für Firmen gedacht, die Geld von säumigen Zahlern eintreiben möchten. Adresshandel ist bisher in NRW nur mit Zustimmung der Bürger erlaubt. "Hieran wollen wir festhalten", sagt der Landes-Datenschutzbeauftragte Lepper.
Vor Missbrauch kann diese Regelung allerdings auch nicht immer schützen. Nach Angaben von Datenschützern kommen etwa von Gläubigerfirmen gesammelte Daten immer wieder über Umwege auf den Markt. Laut FoeBuD gibt es einen schwunghaften Adresshandel.
Schutzliste im Netz
Im Netz gibt es Initiativen, die sich teilweise schon seit Jahren gegen den Datenhandel wehren. Ein Beispiel: Das Projekt "Robinsonliste" ist nach eigenen Angaben "eine gemeinnützige Einrichtung, die sich das Ziel gesetzt hat, Verbraucher vor unerwünschter Werbung zu schützen". Jeder Verbraucher kann sich in die Liste eintragen. Über 2,5 Millionen Bürger haben dies bundesweit getan. Benannt ist der Verein nach dem Literaturklassiker "Robinson Crusoe". Der auf einer einsamen Insel unbehelligt von Post lebende Romanheld galt den Gründern der Liste 1996 offenbar als Idealbild.
Der Verein mit Sitz in Bochum bietet seine Dienstleistung kostenlos an. Ziel ist nach Angaben des Vereins eine "faire Handhabung von Werbekontakten". Die Einrichtung solle helfen, "auf Basis der gültigen Gesetze Werbebelästigungen zu vermeiden". Zahlreiche Unternehmen würden ihre Versandadressen mit der Liste abgleichen. Allerdings räumt die Initiative ein, dass nicht alle Firmen ihr Brief-Marketing mit der Schutzliste abgleichen.
Martin Teigeler
Westdeutscher Rundfunk Online, Köln, 09. Juli 2012
Original: http://www1.wdr.de/themen/politik/meldegesetz100.html