Die Mehrheit der großen Koalition aus SPD und CDU hat sich am gestrigen Dienstag gegen einen Gruppenantrag von Linkspartei, FDP und Grünen ausgesprochen. Diese wollten, dass die Bundesregierung erst dann über die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung entscheidet, wenn der Europäische Gerichtshof über ihre Rechtmäßigkeit entschieden hat.
Damit wird nun Vorratsdatenspeicherung nationales Recht, sollte es nicht noch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht geben. Die Sammlung von Bürgerdaten soll nach dem Willen der großen Koaltion zwar »mit Augenmaß« umgesetzt werden. Daran sind jedoch Zweifel angebracht. Diese brachten am Samstag auch Demonstranten in Berlin zum Ausdruck. Rund 200 versammelten sich gegen die Protokollierung von Telekommunikationsdaten. Aufgerufen hatte auch der Datenschutzverein FoeBuD aus Bielefeld.
Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vom März 2006 sieht vor, dass künftig zur Erleichterung der Strafverfolgung das Telekommunikationsverhalten aller 460 Millionen EU-Bürger »bedarfsunabhängig« protokolliert und mindestens ein halbes Jahr lang vorgehalten werden soll. Insbesondere soll aufgezeichnet werden, wer wann mit wem telefoniert und per Email oder SMS korrespondiert hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Bislang dürfen nur die zur Abrechnung erforderlichen Verbindungsdaten gespeichert werden. Dazu gehören nicht Standortdaten und Email-Verbindungsdaten. Durch die Benutzung von Pauschaltarifen kann eine Speicherung zudem bisher gänzlich vermieden werden, was etwa für Beratungsstellen und Journalisten wichtig ist.
Der gestern abgelehnte Antrag der drei kleinen Bundestagsfraktionen hatte gerügt, dass die EU über keine Regelungskompetenz auf dem Gebiet des Strafrechts und der Strafverfolgung verfüge. Die künftige Gestaltungsbefugnis des Deutschen Bundestags auf diesen Gebieten müsse bewahrt werden. »Die in der Richtlinie vorgesehene Totalprotokollierung der Telekommunikation verstößt gegen das Grundgesetz«, erklärt der Jurist Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.
WebWecker, Bielefeld, 21. Juni 2006
Original: http://www.webwecker-bielefeld.de/?38035