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Einigkeit und Recht und – ja was nun?

Geht es nach Bürgerrechtsaktivisten, war Bielefeld am vergangenen Freitag die Hauptstadt des Datenschutzes. Denn hier wurden nicht nur zum siebten Mal die Big Brother Awards verliehen, erstmals fand vor der Verleihung der Oscars für Datenkraken auch eine bundesweite Demonstration gegen Sicherheitswahn und den Schnüffelstaat statt. Die Problematik, die gut zweihundert Demonstranten auf die Straße zog, machte gleich zu Beginn der Demonstration Patrick Breuer vom Arbeitskreis »Vorratsdatenspeicherung« gleich zu Beginn der Demo klar: Heißt es »Einigkeit und Recht und Freiheit« oder »Einigkeit und Recht und Sicherheit« in der Hymne der Bundesrepublik?

»Freiheit stirbt mit Sicherheit« skandierten die gut zweihundert Teilnehmer – nach Angaben der Veranstalter waren es dreihundert – immer wieder auf dem Weg vom Neuen Bahnhofsviertel zur Ravensberger Spinnerei, wo später die Big Brother Awards verliehen wurden und zeigten damit, dass ihnen das Wort »Freiheit« in der Nationalhymne besser gefällt als das Wort »Sicherheit«. Denn nach ihrer Meinung bilden die beiden Begriffe ein Gegensatzpaar, seit den Terroranschlägen vom 11. September sehen Bürgerrechtler eine massive Vormachtstellung der Sicherheit.

Oder scheinbarer Sicherheit. So kritisierte Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte in einem Redebeitrag, dass die Anti-Terrror-Gesetze kaum mehr Sicherheit schaffen können: »Mit den Maßmahmen können wir nicht gegen religiös motivierte Selbstmordattentäter vorgehen«, sagte Gössner. Stattdessen sei es den Attentätern durch die ihren Anschlägen folgende Sicherheitshysterie gelungen, die Freiheitsrechte einzuschränken. »Der Mensch mutiert zum potenziellen Sicherheitsrisiko« kritisierte Gössner bei einer Zwischenkundgebung auf dem Jahnplatz die Reaktion auf die Anschläge, Deutschland bekomme »die Merkmale eines autoritären Sicherheitsstaats.«

Für Werner Hülsmann (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung) ist die Vorratsdatenspeicherung ein solches Merkmal, bei der »zur Sicherheit« gespeichert wird, wer, wann, von wo mit wem kommunizierte. »Die Vorratsdatenspeicherung hilft aber nicht gegen Terrorismus, weil gerade Terroristen wissen das zu umgehen«, erklärte Hülsmann. Wie Gössner forderte auch er, sich den Gründen für den Terrorismus zu widmen, Gössner empfahl einen »sozialpolitischen Sicherheitsbegriff«. »Wir sind gegen die Vorratsdatenspeicherung, weil wir das Recht auf privat haben«, schrieb Werner Hülsmann schnüffelwilligen Politikern ins Stammbuch und verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 der Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt hatten.

Für Stimmung sorgte bei der Demo immer wieder der Bielefelder Künstler padeluun, denn zwischendurch spazierten die Bürgerrechtler recht ruhig durch Bielefeld. »Parolen sind für Intellektuelle ja manchmal schwierig«, räumte padeluun ein, forderte die Teilnehmer aber immer wieder auf, ihr Anliegen auch plakativ zu vertreten. »Denn es geht nicht darum Daten zu schützen, es geht darum Menschen zu schützen«, erklärte er. Die Großeltern der Demonstranten hätten die Freiheitsrechte erkämpft, die heute wieder auf dem Spiel stünden. Ein solches Recht sei es, auch einmal gefühlsmäßig zu handeln, ohne vorher überlegen zu müssen, wer einen bei einer Handlung beobachtet. »So werden Menschen zu Duckmäuschen«, kritisierte padeluun die gegenwärtige Entwicklung. »Und als Künstler sage ich euch: Langweilig ist es, in einer Welt der Duckmäuschen zu leben«, fügte er hinzu.

Bei der Bielefelder Demonstration war übrigens auch Bundeskanzlerin Merkel vertreten. Zumindest virtuell. In die elektronische Musik der Demonstration war immer wieder ein Statement Merkels hineingeschnitten: »Wir sollen mehr Freiheit wagen«, fordert darin Angela Merkel.

Mario A. Sarcletti

WebWecker, Bielefeld, 25. Oktober 2006
Original: http://www.webwecker-bielefeld.de/11687.0.html

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