Wie in einer Neuauflage der Containershow Big Brother müssen sich Bewohner eines Senioren in einem Altenheim in Herzebrock-Clarholz vorkommen: Sie wurden von zehn Videokameras beobachtet. Nach Angaben der Heimleitung sollte die Überwachung ihrem Schutz dienen. Das Verwaltungsgericht Minden hielt diese Praxis in der vergangenen Woche grundsätzlich für zulässig.
Zur Sicherheit: Videoüberwachung. Dies ist ein gern gebrauchtes Argument dafür, dass immer mehr Kameras Bürger beobachten. Die Betreiberin eines Seniorenheimes in Herzebrock-Clarholz sah das auch so und installierte in dem Heim zehn Videokameras, die Treppenhäuser, Flure und den Aufenthaltsraum überwachten. Die Bilder wurden in das Schwesternzimmer übertragen und außerdem drei Wochen gespeichert.
Auch hier soll die Videoüberwachung dem Schutz dienen, in diesem Fall bei Stürzen oder vor unbemerkten Eindringlingen. In der vergangenen Woche wurde der Fall vor dem Verwaltungsgericht Münster verhandelt. Geklagt hatte aber nicht ein an Bürger- und Datenschutzrechten interessierter Heimbewohner. Vielmehr sah die Heimaufsicht des Kreises Gütersloh in der Maßnahme einen Verstoß gegen den Datenschutz. Bei der Verhandlung kam es zu einem Vergleich.
»Eine Überwachung des Aufenthaltsraums findet zukünftig nicht mehr statt«, lautet der nach Angaben des Verwaltungsgerichts. Außerdem dürfen die Bilder nur noch 72 Stunden gespeichert werden. Das Gericht widersprach aber der Einschätzung der Heimaufsicht, dass in der Frage »die Bestimmungen für die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume einschlägig« seien.
Der Bielefelder Künstler padeluun vom »Verein zur Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs (foebud)«, bundesweit bekannter Jäger von »Datenkraken«, kritisiert das Urteil. »Ich habe noch nie gesehen, dass eine Kamera jemandem auf die Beine geholfen hat«, widerspricht er dem Argument, dass die Kameras zum Schutz der Senioren angebracht sind. »Das Urteil zeigt auch, dass Unrecht, auch wenn Richter Unrecht sprechen, Unrecht bleibt«, findet padeluun.
Für ihn passt der Umgang mit den Senioren in dem Altenheim ins System der Betreuung alter Menschen, wie es heute existiert. »Das sind Orte, an denen Menschen von ihren Menschenrechten entfernt werden«, erklärt padeluun. »Wir müssen uns dagegen wehren, dass Menschen, wenn sie als Konsumenten nicht mehr brauchbar sind, nur noch verwaltet werden, bis man sie per Posaunenchor unter die Erde bläst«, fordert der Bürgerrechtsaktivist vom foebud, der unter anderem die jährliche Verleihung der Big Brother Awards organisiert. Im Rennen um den »Oscar für Datenkraken« 2007 dürfte jetzt auch das Altenheim aus Herzebrock-Clarholz sein.
Mario A. Sarcletti
WebWecker, Bielefeld, 08. November 2006
Original: http://www.webwecker-bielefeld.de/11732.0.html