Der Dienst sieht aus wie Twitter. Doch bei Blippy teilen User der Welt mit, was sie gerade eingekauft haben. Das Portal veröffentlicht Kreditkartenrechnungen. Datenschützer sind schockiert.
Alle fünf Sekunden leuchtet ein neuer Datensatz im Ticker der Website auf. In Echtzeit veröffentlicht der Netzdienst Blippy.com wer, wo, wofür, wie viel Geld ausgegeben hat. Sämtliche Abbuchungen von Visa-Cards und Mastercards der Blippy-Mitglieder erscheinen sichtbar für jedermann im Web. Wer das Portal besucht, ist live dabei, wie Internet-Shops, Restaurants, Tankstellen und Sportgeschäfte die Konten der Blippy-Nutzer belasten.
Mehr als 5.000 Mitglieder hatte der neue Kontostand-Ausplauderservice nach eigenen Angaben bereits kurz nach dem Start Mitte Januar. Und es werden angeblich täglich mehr. Der Visa-Exhibitionismus geht nicht ohne ein gerüttelt Maß an Urvertrauen: Um mitzumachen, müssen Nutzer ihre Kreditkartennummern und die kompletten Zugangsdaten bei Amazon, iTunes oder eBay angeben. Datenschützer sind angesichts der neuen Zeigelust entsetzt. Rena Tangens, Datenschutzaktivistin vom Verein FoeBuD, glaubt, Blippy öffne kriminellem Missbrauch Tür und Tor. "Wer da mitmacht, dem ist nicht mehr zu helfen", sagt sie. Für Hacker sei der Service eine Einladung zum Abräumen. Es könne gezielte Phishing-Attacken geben, glaubt Tangens. Dabei entlocken Betrüger ahnungslosen Kunden Kreditkartennummern und PINs. Auch Falk Lüke, Internetexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands, warnt zur Vorsicht. "Wer sich bei Blippy anmeldet, kann leicht in eine Falle treten." Einen Nutzen für Verbraucher sehe er nicht.
Echten, geldwerten Nutzen an Blippy hat wohl tatsächlich nur das Start-up-Unternehmen aus dem Silicon Valley selbst. Zwar schweigen sich die Betreiber über ihr Geschäftsmodell aus. Doch die AGBs lassen erahnen, worum es ihnen geht. Dort steht unter "Information Sharing", Blippy behalte sich die Möglichkeit vor, die persönlichen Daten seiner Nutzer "im notwendigen Maß" an Dritte weiterzugeben - beispielsweise für Direktmarketing-Kampagnen.
Warum sich Menschen freiwillig ins Scheckbuch schauen lassen, darüber rätseln Blogger in der ganzen Welt. Klar ist: Mit Blippy lässt sich herrlich prahlen. Motto: Seht, was ich mir alles leisten kann. Die Website selbst liefert eine eigenartige Begründung. Es mache Spaß, zu sehen, was andere Leute kaufen und darüber zu diskutieren, heißt es dort. Wie beim Kurznachrichtendienst Twitter können Blippy-Nutzer die Einträge anderer abbonieren und kommentieren. Phillip Kaplan (34), Mitgründer des Netzdienstes, hatte in einem CNN-Interview überdies behauptet, der Dienst helfe beim Preisvergleich und Sparen. Dass es dafür bereits zahlreiche anonyme Portale gibt, ließ er unerwähnt.
Der Name Blippy leitet sich von dem Geräusch ab, das Supermarktkassen machen, wenn Ware eingegeben wird. "Blip" ist das englische Wort für "Piep". Neu ist die Geschäftsidee nicht. Das Internet-Kontaktnetzwerk Facebook hatte bereits vor einiger Zeit versucht, so genannte Social Ads einzuführen. Damit wären automatisch alle Amazon-Einkäufe der User veröffentlicht worden. Der Service war am Widerstand der Facebook-Gemeinde gescheitert. In Deutschland funktioniert Blippy bislang nur eingeschränkt. Das Angebot ist auf amerikanische Kreditkarten begrenzt. Nutzer an Rhein und Spree können nur Einkäufe bei iTunes oder Amazon posten, oder herzeigen, was sie mit dem Bezahlsystem PayPal erstanden haben.
Tobias Kurfer
ZDF heute, 08. Februar 2010
Original: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/28/0,3672,8026108,00.html