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Zensus 2011: Gegner machen mobil

Datenschützer planen Verfassungsbeschwerde gegen Volkszählung

Wie viele Menschen leben hierzulande? Welchen Berufen gehen sie nach? All das soll die für 2011 geplante Volkszählung beantworten. Oder auch nicht: Zensus-Gegner wollen Beschwerde in Karlsruhe einreichen, um die Datenerhebung zu verhindern.

Die letzte Volkszählung auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik fand 1987 statt. Seitdem weiß keiner so genau, wie viele Menschen hierzulande leben, was sie beruflich machen, wie sie wohnen. Doch das soll sich im kommenden Jahr ändern, für 2011 steht der "Zensus 2011" an.

EU-weite Zählung geplant

Grundlage für die Erfassung der Bevölkerungsdaten ist eine Verordnung der EU aus dem Jahr 2008. Darin sieht die Gemeinschaft vor, dass in sämtlichen Mitgliedsstaaten im kommenden Jahr anhand eines festgelegten Fragenkatalogs die entsprechenden Daten zu erfassen sind.

Volkszählungen sind hierzulande jedoch nicht allzu beliebt, schon die letzte aus dem Jahr 1987 sorgte vorab für reichlich Ärger und landete auf dem Tisch der Karlsruher Verfassungsrichter. Erst nach Korrekturen fand sie schließlich statt.

Registergestützte Erfassung

Sie haben von der anstehenden Volkszählung gar nichts mitbekommen? Das verwundert kaum, denn die Mehrzahl der Daten, die dieses Mal erhoben werden, stammen direkt aus den Datenbeständen der Meldeämter der Kommunen oder etwa der Bundesagentur für Arbeit. Fachleute sprechen hier von der "registergestützten" Volkszählung, der Bürger kriegt davon im Grunde kaum etwas mit.

Ärger steht dennoch ins Haus. Neben den automatisch übermittelten Daten sind nämlich auch stichprobenartige Interviews vor Ort vorgesehen, gegen die der Bürger keinen Widerspruch einlegen kann. Wer sich weigert, dem droht Ärger. Hinzu kommt, dass hierzulande beispielsweise auch vorgesehen ist, die Religionszugehörigkeit der Bürger zu erfassen.

Bei in Deutschland lebenden Muslimen etwa soll die genaue Glaubensrichtung erfasst werden (sunnitischer, schiitischer oder alevitischer Islam). Merkwürdig nur: Derartige Vorgaben finden sich in der EU-Verordnung an keiner Stelle, die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft wurde von Rat und Parlament der EU in seiner Verordnung völlig ausgeklammert.

Daten sind keinswegs anonym

Für den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, kurz "AK Vorrat", sind derartige Ungereimtheiten ein Dorn im Auge. Ebenso stören sich die Mitglieder des Arbeitskreises daran, dass die Daten ohne ausdrückliche Einwilligung der Bürger erhoben werden und aus ihrer Sicht keineswegs anonym sind, sondern bestimmten Personen zugeordnet werden können. Der Zusammenschluss von Datenschützern, Bürgerrechtlern und Internetnutzern zieht deshalb gegen den geplanten Zensus ins Feld.

Mittlerweile hat der Arbeitskreis auch eine Webseite online geschaltet, auf der sich Interessierte über die Volkszählung informieren können. Der Name der Seite lautet übrigens "zensus11.de", Ähnlichkeiten mit der offiziellen Zensus-Seite des Bundes ("zensus2011.de") sind durchaus beabsichtigt.

Gegner planen Verfassungsbeschwerde

Die Zensus-Gegner wollen aber noch einen Schritt weitergehen. Bis zum Stichtag 15. Juli wollen sie Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen, um das Vorhaben noch zu kippen, wie der Künstler und Netzaktivist "padeluun" gegenüber heute.de bestätigt. Er ist Mitglied im AK Vorrat und einer der Vorsitzenden des Vereins "FoeBuD e.V", der bereits im März Verfassungsbeschwerde gegen den Elektronischen Einkommensnachweis ELENA in Karlsruhe eingereicht hat.

Damals haben die Aktivisten mehr als 22.000 Vollmachten von Bürgern online gesammelt, ausgedruckt und den Richtern in Karlsruhe überreicht. Über die vor wenigen Tagen online gestellte Zensus-Infoseite hofft "padeluun", der auch als Sachverständiger in der Enquête-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Bundestags tätig ist, wieder ähnlich viele Mitstreiter für den Gang vors Karlsruher Gericht zu finden. Wie viele sich dieses Mal online beteiligen werden, das weiß "padeluun" aber nicht genau. "Da kann ich mit keiner genauen Angabe dienen", sagt er im Interview. "Ich kann mir aber vorstellen, dass es wieder in den Bereich von 20.000 kommt."

Georg H. Przikling

ZDF heute, 16. Juni 2010
Original: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/26/0,3672,8079354,00.html

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