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Der Staat zählt, der Bürger klagt

Zensus 2011: Millionen Deutsche müssen Fragebögen ausfüllen

Nach 23 Jahren zählt der Bund erneut seine Schäfchen. Was früher als "Volkszählung" für Diskussionen sorgte, heißt nun "Zensus". Geblieben sind Bedenken, dass ein zentrales Personenregister entstehen könnte - die Horrorvision aller Datenschützer.

Die computergestützte Volkszählung, das ist eigentlich ein alter Hut, der diesen Monat 120 Jahre alt wird. Der Amerikaner Herrman Hollerith baute aus alten Webstühlen eine Zählmaschine, die Lochkarten verarbeitete. Auf ihr standen Daten jedes Bürgers, säuberlich in kleinen Löchlein codiert. Mit 43 Mitarbeitern zählte Hollerith in sagenhaften zwei Jahren die Karten aus (aus seiner Firma wurde später übrigens IBM). Heute geht das schneller - per Computer und Datenbank. Auch die Informationen, die dem Staat zur Verfügung stehen, sind weitaus umfangreicher geworden.

Entscheidungsgrundlage für die Politik

Im Jahr 2008 setzte die EU fest, dass alle ihre Bürger erfasst gehören. Mit den Stimmen der großen Koalition wurde der Zensus für das Jahr 2011 festgelegt. Für Deutschland heißt das: Nächstes Jahr müssen 20 Millionen Deutsche Fragebögen ausfüllen. Betroffen sind alle Wohnungs- und Gebäudebesitzer, etwa 10 Prozent der Bevölkerung und "Sonderfälle" (Personen in Gefängnissen, Wohnheimen, Notunterkünften etc).

"Zuverlässige Daten sind wichtig!", heißt es auf der offiziellen Webseite "Zensus 2011", denn "viele Entscheidungen in Bund, Ländern und Gemeinden beruhen auf Bevölkerungs- und Wohnungszahlen. Der Zensus 2011 wird somit die Basis für die Entscheidungen von morgen sein!". So vermutet das statistische Bundesamt, dass die Bevölkerungszahl um etwa 1,3 Millionen Personen überzeichnet ist. So etwas macht sich beim Länderfinanzausgleich bemerkbar. Oder bei der Planung von Straßen, Kindergärten, Versorgungsleitungen - es lässt sich besser planen, wenn man weiß, für wie viele Personen.

Was die Gegner bemängeln

Nicht nur die Volkszählung, auch der Protest hat Tradition. Schon 1987 kam es zu einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde. Auch der "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung", der schon die flächendeckende Überwachung der Telekommunikation kippte, ist wieder aktiv. Als "Arbeitskreis Zensus" hat er soeben Klage eingereicht: Er sieht die Zählung in seiner jetzigen geplanten Form als verfassungswidrig. 13.096 Personen unterstützen die Klage, die sich gegen folgende Punkte richtet:

Die Super-Datenbank - aber für wen?

So ein Archiv weckt natürlich Begehrlichkeiten: beim Finanzamt, der Polizei, den Geheimdiensten. Denn was der Staat über die deutschen Bürger wissen will, geht über den von der EU geforderten Umfang hinaus - zum Beispiel Informationen über das Religionsbekenntnis. Hier werden vor allem Muslime besonders differenziert zur Beantwortung auffordert. Das statistische Bundesamt verweist allerdings auf die strikten Datenschutzbestimmungen, die es unmöglich machen, Einzeldaten über Bürger zu erstellen, die den abgeschotteten Raum der amtlichen Statistik verlassen.

Anatol Locker

ZDF heute, 10. August 2010
Original: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/11/0,3672,8098379,00.html

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