Bielefeld/Bonn - "Za-Mir" ist serbokroatisch und heißt "für Frieden". "Zamir" ist auch der Name einer Erfolgsgeschichte im jugoslawischen Bürgerkrieg: Er steht für ein über die Fronten hinweg mit Computern betriebenes Netzwerk von unterschiedlichsten Organisationen, Friedensgruppen und Einzelpersonen. Eric Bachman, einer der Väter des "Zamir Transnational Network" faßt dessen Arbeit so zusammen: "Wir haben mitten im Krieg die Menschen zueinander gebracht."
Bachman (49) ist gebürtiger US-Amerikaner, lebt aber seit geraumer Zeit in
Europa. Nach Jugoslawien kam er zum ersten Mal 1991 in seiner Eigenschaft
als Trainer für gewaltfreie Konfliktaustragung. Er wollte dort mit
Friedensgruppen an Möglichkeiten des gewaltlosen Protestes angesichts des
Bürgerkrieges arbeiten. Doch während seiner Reise ergab sich eine ganz neue
Aufgabe.
"Die Leute haben gesehen, wie ich meine elektronische Post über einen
Computer abgerufen habe und wollten wissen, ob sie diese Möglichkeit der
Kommunikation nicht auch nutzen können", erzählt Bachman. Durch den Krieg
war die Verständigung zwischen Friedensgruppen in Serbien und Kroatien fast
unmöglich geworden, beispielsweise an Telefongespräche praktisch nicht mehr
zu denken. Einen Ausweg schienen die internationalen Datennetze zu bieten.
Dabei griffen sie allerdings nicht auf das Internet zurück, sondern auf Rechner,
die über herkömmliche Telefonleitungen verbunden sind.
Bachman richtete mit seinen Helfern zunächst in Zagreb und in Belgrad
elektronische Briefkästen ein, "Mailboxen", in denen die Gruppen ihre
Nachrichten aneinander ablegen konnten. Da die Mailboxen nicht direkt
miteinander kommunizieren konnten, wurden die Daten über das europäische
Ausland ausgetauscht - dorthin konnte vor allem nachts noch telefoniert
werden. In Großbritannien, Österreich und Deutschland stellten Netzbetreiber
ihre Kapazitäten zur Verfügung, nahmen Nachrichten aus der einen Mailbox
an, um sie an die zweite weiterzuleiten. Neue Mailboxen beispielsweise in
Tuzla, Ljubljana und Sarajevo kamen hinzu - das "Zamir-Netzwerk" war
entstanden.
In seinen Hochzeiten, so berichtet Bachman, hatte das Netzwerk bis zu 5.000
Benutzer, heute sind es noch rund 2.000 Gruppen und Einzelpersonen, die
sich der Möglichkeiten von "Zamir" bedienen, das inzwischen auch Zugänge
zum Internet anbietet. "Der Umweg über das Ausland ist meist nicht mehr
nötig. Schwieriger ist, daß in vielen Städten die Angebote nicht mehr ganz
kostenlos sind, das gefährdet oft den Fortbestand", sagt Bachman.
Eine kleine Unterstützung erhielt das Projekt am Dienstag in Bonn von der
Bundestagsfraktion von Bündnis90/Grüne. Sie zeichneten den Bielefelder
Verein Foebud, zu dessen Mitarbeitern Bachman gehört, für "Zamir" mit ihrem
Multimedia-Preis "Sinnformation" aus. 3.000 Mark brachte das ein. Nicht viel,
aber immerhin: "Wir sind für jede Anerkennung dankbar", meint Bachman.
Von Justus Demmer
Spiegel Online, 26. Mai 1998