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Aktuell 26.5.98

Online-Verständigung im jugoslawischen Bürgerkrieg

Bielefeld/Bonn - "Za-Mir" ist serbokroatisch und heißt "für Frieden". "Zamir" ist auch der Name einer Erfolgsgeschichte im jugoslawischen Bürgerkrieg: Er steht für ein über die Fronten hinweg mit Computern betriebenes Netzwerk von unterschiedlichsten Organisationen, Friedensgruppen und Einzelpersonen. Eric Bachman, einer der Väter des "Zamir Transnational Network" faßt dessen Arbeit so zusammen: "Wir haben mitten im Krieg die Menschen zueinander gebracht."

Bachman (49) ist gebürtiger US-Amerikaner, lebt aber seit geraumer Zeit in Europa. Nach Jugoslawien kam er zum ersten Mal 1991 in seiner Eigenschaft als Trainer für gewaltfreie Konfliktaustragung. Er wollte dort mit Friedensgruppen an Möglichkeiten des gewaltlosen Protestes angesichts des Bürgerkrieges arbeiten. Doch während seiner Reise ergab sich eine ganz neue Aufgabe.
"Die Leute haben gesehen, wie ich meine elektronische Post über einen Computer abgerufen habe und wollten wissen, ob sie diese Möglichkeit der Kommunikation nicht auch nutzen können", erzählt Bachman. Durch den Krieg war die Verständigung zwischen Friedensgruppen in Serbien und Kroatien fast unmöglich geworden, beispielsweise an Telefongespräche praktisch nicht mehr zu denken. Einen Ausweg schienen die internationalen Datennetze zu bieten. Dabei griffen sie allerdings nicht auf das Internet zurück, sondern auf Rechner, die über herkömmliche Telefonleitungen verbunden sind.
Bachman richtete mit seinen Helfern zunächst in Zagreb und in Belgrad elektronische Briefkästen ein, "Mailboxen", in denen die Gruppen ihre Nachrichten aneinander ablegen konnten. Da die Mailboxen nicht direkt miteinander kommunizieren konnten, wurden die Daten über das europäische Ausland ausgetauscht - dorthin konnte vor allem nachts noch telefoniert werden. In Großbritannien, Österreich und Deutschland stellten Netzbetreiber ihre Kapazitäten zur Verfügung, nahmen Nachrichten aus der einen Mailbox an, um sie an die zweite weiterzuleiten. Neue Mailboxen beispielsweise in Tuzla, Ljubljana und Sarajevo kamen hinzu - das "Zamir-Netzwerk" war entstanden.
In seinen Hochzeiten, so berichtet Bachman, hatte das Netzwerk bis zu 5.000 Benutzer, heute sind es noch rund 2.000 Gruppen und Einzelpersonen, die sich der Möglichkeiten von "Zamir" bedienen, das inzwischen auch Zugänge zum Internet anbietet. "Der Umweg über das Ausland ist meist nicht mehr nötig. Schwieriger ist, daß in vielen Städten die Angebote nicht mehr ganz kostenlos sind, das gefährdet oft den Fortbestand", sagt Bachman. Eine kleine Unterstützung erhielt das Projekt am Dienstag in Bonn von der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Grüne. Sie zeichneten den Bielefelder Verein Foebud, zu dessen Mitarbeitern Bachman gehört, für "Zamir" mit ihrem Multimedia-Preis "Sinnformation" aus. 3.000 Mark brachte das ein. Nicht viel, aber immerhin: "Wir sind für jede Anerkennung dankbar", meint Bachman.

Von Justus Demmer

Spiegel Online, 26. Mai 1998

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