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ZAMIR

KRIEG IM NETZ

Keine Computer für den Frieden im Kosowo

Kaum waren die ersten Bomben gefallen. wollten alle über Bäume reden. Bzw. Drähte. Genauer: das computergestützte Kommunikations-Netzwerk ZaMir, das von Bielefeld aus für ein paar Jahre die Grenzen in Ex-Jugoslawien überwand. Und 1998 den ersten Multimedia-Preis der Bündnis/Grünen kriegte, für den alternativen Informationstransport an den Mediengiganten vorbei. Und nun?

Die Deutsche Welle schickte ein Kamera-Team ("Pristina, da war ich gestern noch, mit dem Flugsimulator"), Stern, Spiegel, Le Monde und Ultimo kamen vorbei ... und Eric Bachman war auch wieder da, in der Art d'Ameublement-Galerie in der Marktstraße, wo er sich Anfang der 90er in der BIONIC-Mailbox das eMailen hatte beibringen lassen. Um in den Folgejahren in Zagreb, Belgrad, Sarajewo und Pristina ein Netzwerk aus Gebraucht-Computern aufzubauen, das Friedensgruppen aller Sprachen miteinander verband, den Anschluß an die weltweite Kommunikation ermöglichte - und bis zu 5000 Benutzer mit Briefen bediente. Sogar als damals die Bomben fielen und die Leitungen etwa zwischen Serben und Kroaten unterbrochen waren.
Da holte eben die Bielefelder Maltbox als Relais die Informationen von der einen auf die andere Seite der Grenze. Mit einer bewußt billigen Technik (allein eine neue Telefonleitung im Kosowo kostet über 1000 Mark, eine Standleitung für einen Internet-Server kostet schon in Bielefeld das fünffache) - und mit einem Technik-Bewußtsein, das sie lieber davon sprechen läßt, Menschen zu vernetzen statt Computer. Und nun?
Gegen den neuen Krieg hilft ZaMir nichts, ZaMir (d.h "Frieden" in allen Balkan-Sprachen) war schon vorher tot; an den Menschen gescheitert, die zu wenig Mitgliedsbeiträge aufbrachten, als das mit Spenden gestartete Projekt auf Eigenversorgung umgestellt werden sollte. An Systembetreuern vor Ort, die lieber im WWW herumclicken wollten, als Menschen ohne Cornputer weiter die Mailbox zu machen. Und einen alten 486er nicht mal mehr geschenkt nähmen, so sehr hätten falsch eingesetzte Fördermittel (mit den Kosten eines WWW-Servers könnte man ein Mailbox-Netz über Jahre hinweg betreiben) den Fokus verschoben.
Nur da, wo die via ZaMir verknüpften Menschen auch Interesse aneinander hätten (ein paar Frauengruppen etwa), sei das Netz noch intakt. Nur wer sich auch mal im Leben sehen wolle, habe wirklich einen Vorteil vom Drahtpost-Ersatz.
Aber gerade miteinander reden wollten im Kosowo immer weniger. So beobachteten Eric Bachman und das "Balkan Peace Team" immer wieder vor Ort (bis kurz vor Beginn der Luftangriffe). Wer mit Albanern auch nur spreche, dem mißtraue sogar die serbisehe Opposition - und wer der UCK eine multiethnische Zukunft der Region plausibel machen will, kriegt keinen neuen Termin. Dagegen helfe nur geduldige Arbeit im Kleinen, weit vor jeder Computerisierung. Und schnell nach der möglichst schnell beendeten Bombardierung.
Ein paar Reste von ZaMir haben es, in Bosnien ins WWW geschafft - aber die Friedens-Homepage beschäftigt sich mehr mit Virenwanrungen und Surftips als dem Krieg nebenan.
Auf der offiziellen Seite der Bund esrepublik Yugoslawien findet der Krieg sogar überhaupt nicht statt. Stattdessen werden immer noch die Minderheitenrechte hochgehalten (l/3 der Bevölkerung gehöre zu 28 Volksgruppen, jedes Kind sei von Geburt an Staatsbürger und das sei auch gut so).
Auf der offiziellen Serbischen Nachrichten-Seite dagegen gibt es nur Terroristen (=.Albaner) und Barbaren (=Nato); deutsches Mörder-Pack flieht feige vom Tatort, Tony Blair gleicht "Adolph" Hitler, und die europäische Presse scheint unisono Milosevic als Helden zu verehren. Die "Kosowa-Info-Line" zitiert andere, ausgewogener scheinende Stim men; die "Stimme des Kosowo" zitiert die UCK; die Nato zitiert sich selbst ... es gibt viele Informationen im Internet - aber kaum irgendwo echte Menschon dahinter, denen man etwas glauben, antworten oder übelnehmen könnte. Oder die aufeinander hören könnten. Da ist nur ein immer bunte res Rauschen zwischen allen Seiten - und ein schreckliches Schweigen im Walde. wing Weitere Links zum Kosowo unter www.ultimo.devcon.net

Ultimo, 19. April 1999

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